Schwäbische Zeitung (Biberach)

Junge Leute wandern nicht mit, sondern ab

Schwäbisch­er Albverein beklagt Mitglieder­schwund

- Von Birga Woytowicz

BIBERACH - Während die Wanderlust gedeiht, stirbt die Bereitscha­ft sich zu binden. Vor dieses Problem sieht sich der Schwäbisch­e Albverein (SAV) gestellt. Denn: Der Mitglieder­trend ist seit Jahren negativ. Auch die Jugendarbe­it macht den Ortsgruppe­n im Riß-Iller-Gau zu schaffen. Wir haben mit dem Gauvorsitz­enden Jürgen Ott und seinem Vorgänger Hans Beck gesprochen.

Der Riß-Iller-Gau ist einer von insgesamt 22 Gauen im Gebiet des Schwäbisch­en Albvereins. Neun Ortsgruppe­n sind in der Region aktiv, davon ist Biberach mit 450 Mitglieder­n die stärkste. „Die anderen haben im Schnitt 90 bis 100 Mitglieder“, sagt Jürgen Ott. Das klingt zunächst viel. Der langfristi­ge Trend sei aber bedenklich, sagt Hans Beck: „Waren es vor gut 20 Jahren noch 120 000 Mitglieder, kommen wir im ganzen Verein im Moment auf gut 100 000.“Dieser Trend zeichne sich auch in der Region ab.

Über mangelnde Beteiligun­g an den Wanderunge­n könne der Verein grundsätzl­ich nicht klagen. Denn hier ist jeder willkommen: „Viele Touren sind gut besucht. Vor allem auch Aktionstou­ren an Weihnachte­n und Ostern“, sagt Jürgen Ott. Gleiches gelte für naturkundl­iche Touren, gerade auch für Kinder, ergänzt sein Vorgänger Beck. Man sehe zwar einige Gesichter auf vielen Touren wieder: „Aber viele wollen keinen Mitgliedsa­ntrag ausfüllen oder gar Verantwort­ung übernehmen. Die argumentie­ren dann mit ihrem Job oder anderen Verpflicht­ungen.“So erlebt es Beck immer wieder. Auch die Suche nach Vorständen gestalte sich schwer: „Zweimal im Jahr treffen wir uns mit den Gauvorstän­den. Das ist Dauerthema. Dann sieht man immer lauter betretene Gesichter und die Blicke flüchten zum Boden.“

Schwer zu erreichen seien besonders zwei Zielgruppe­n: Jugendlich­e und junge Familien. Letztere würden Ausflüge lieber spontan und ungebunden planen wollen: „Im Burrenwald haben wir mal einen Parcours organisier­t, extra für Familien, mit verschiede­nen Stationen und einer Tombola“, berichtet Beck. Sogar Adressen von Interessen­ten habe man vorher gesammelt. Tatsächlic­h teilgenomm­en habe letztlich nur ein Bruchteil. Die Veranstalt­ung floppte. Fortlaufen­d würden sie Leute ansprechen und versuchen anzuwerben, sagen beide: „Aber es ist ein immenser Aufwand, auch finanziell“, gibt Ott zu bedenken. Außerdem sei die vergeblich­e Mitglieder­suche frustriere­nd und entmutigen­d: „Am Ende stehen immer die gleichen Esel vorne“, beschreibt Beck die Situation.

Jungen Leuten biete der SAV wohl zu wenig Action: „Die gehen dann lieber in den Alpenverei­n und klettern.“Wichtig sei aber, so Beck: „Das gilt nicht für alle Ortsgruppe­n. Im Kerngebiet, etwa im Raum Stuttgart, gebe es viele junge Aktive. Viele seien dort auch im Bereich Volkstanz aktiv. Im Riß-Iller-Gau gestalte sich die Jugendarbe­it jedoch schwierig: „Wenn wir zwei alte Säcke Jugendarbe­it betreiben wollen, werden wir doch nur belächelt“, sagt Beck. Das Durchschni­ttsalter in den Ortsgruppe­n des Riß-Iller Gaus liege im Schnitt bei 65 bis 70 Jahren, berichtet Jürgen Ott. Ob sportliche oder Gesundheit­swanderung, gemütliche Touren oder Wochenwand­erungen: Ein Blick in das Jahresprog­ramm des SAV zeigt: Es gibt Abwechslun­g. Allzu waghalsig könne man Touren jedoch nicht gestalten, um junge Leute anzulocken: „Dann ziehen die Älteren nicht mit und fühlen sich benachteil­igt. So eine Tour würden wir im Moment nicht voll kriegen.“Nichtsdest­otrotz sei man kreativ, ergänzt Ott: „In Ringschnai­t und Erolzheim bieten wir zum Beispiel immer mal wieder Geocashing-Touren an.“Das ist eine Art Schnitzelj­agd. Mithilfe eines GPSGeräts können verschiede­ne Schätze aufgespürt werden, die andere mit der einen oder anderen Überraschu­ng versteckt haben. Die Koordinate­n dazu gibt es im Internet.

Bewegung und Bildung

Bewegung an der frischen Luft sei eben nur ein Element des SAV-Angebots: „Neben Bewegung bieten wir Geselligke­it, Gemeinscha­ft und Hintergrun­dwissen“, fasst Beck zusammen. So würden Wanderführ­er nicht stumm vorausgehe­n, sondern auch immer etwas zur Geologie, Geschichte und Botanik erzählen, die es entlang der Route zu erleben gibt. Man versuche auch an den Schulen präsent zu sein, sagt Ott: „Wir versuchen den Unterricht beim Thema Naturkunde zu betreuen.“

Noch keine Maßnahme der Nachwuchsa­kquise habe bisher jedoch gefruchtet. Machte hier nur einer den Anfang, käme der Ball womöglich ins Rollen, glaubt Beck. Doch den einen, der die Nachwuchss­uche anstößt, müsse man eben auch erst auftreiben.

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FOTO: ANGELIKA WARMUTH /DPA Wandern bleibt beliebt, aber weniger in einer verbindlic­hen Vereinsmit­gliedschaf­t.

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