Schwäbische Zeitung (Biberach)
Zukunft kleiner Grundschulen ist ungewiss
Landesrechnungshof rät zu Schließungen – Das betrifft vor allem den ländlichen Raum
STUTTGART (kab) - Der Landesrechnungshof empfiehlt der Politik, vor der Schließung kleiner Grundschulen nicht zurückzuschrecken. Betroffen davon wären vor allem Grundschulen auf dem Land. In einem Gutachten raten die Kontrolleure, auch Grundschulen in die so genannte Regionale Schulentwicklung aufzunehmen. Diese gilt bisher nur für weiterführende Schulen und besagt: Melden sich an zwei Jahren hintereinander nicht mindestens 16 Schüler an, steht die Schule vor dem Aus. So könnten Ressourcen besser genutzt werden. Neu ist das Ringen um kleine Grundschulen nicht. Bislang galt in der Landespolitik aber der Grundsatz: „Kurze Beine, kurze Wege“– vor allem in der CDU. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) wies den Vorschlag nicht kategorisch ab. Sie erklärte zum Gutachten allgemein, dass die Vorschläge in der Landesregierung und den grün-schwarzen Regierungsfraktionen debattiert würden.
STUTTGART - Auch Grundschulen sollen schließen, wenn sie dauerhaft wenige Schüler haben. Das schlägt der Landesrechnungshof in einem Gutachten vor. Politisch war dies bislang tabu, denn für die Landesregierung, vor allem für den CDU-Teil, galt stets der Grundsatz: „Kurze Beine, kurze Wege“. Daran scheint Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) nun nicht mehr kategorisch festhalten zu wollen. Betroffen von dem Vorschlag wären vorwiegend Schulen auf dem Land. Schon jetzt formiert sich Widerstand.
Kultusministerin Eisenmann und Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) hatten bereits Ende 2016 den Rechnungshof gebeten, die Kultusverwaltung zu durchleuchten. Seit Donnerstag liegt ihnen das Gutachten vor – ein Jahr später als erwartet. Der Auftrag an die Behörde: Die Prüfer sollten Vorschläge machen, wie in Zeiten akuten Lehrermangels wieder mehr Lehrer an Schulen eingesetzt und überhaupt die Ressourcen des Kultusministeriums besser genutzt werden können. Mit elf Milliarden Euro verschlingt der Bildungsetat allein ein Fünftel des Landeshaushalts.
Auch Gymnasien zusammenlegen
Ein Vorschlag ist nicht ganz neu, war aber bisher ein zu heißes Eisen. Seit 2014 gibt es die so genannte Regionale Schulentwicklung für weiterführende Schulen. Sie besagt: Wenn eine Schule zwei Jahre hintereinander weniger als 16 Anmeldungen in der 5. Klasse hatte, wird sie perspektivisch geschlossen. Den Prozess haben etliche Haupt- und Werkrealschulen im Land hinter sich. Im Sinne einer besseren Ressourcensteuerung sollte dieser Prozess auch auf Grundschulen angewandt werden, teilt Rechnungshofpräsident Günther Benz am Freitag mit. Potenziale sehe er aber auch noch an weiterführenden Schulen, so Benz. Beispielsweise könnten auch unmittelbar benachbarte Gymnasien zusammengelegt werden, um Ressourcen besser zu nutzen.
Statt den Vorschlag abzubügeln, wie es dem bisherigen Kurs ihrer Partei entspräche, zeigt sich Eisenmann offen. Der Rechnungshof habe Impulse geliefert für eine Debatte, die nun politisch geführt werden müsse. „Wir werden uns gemeinsam eingehend mit den Empfehlungen auseinandersetzen und prüfen, welche Handlungsspielräume noch ungenutzt sind“, erklärt sie, ohne konkret auf die Regionale Schulentwicklung für Grundschulen einzugehen. Wann eine Grundschule als klein gilt, ist nicht definiert. Das Kultusministerium verzeichnete 2017 beispielsweise 820 Grundschulen, die weniger als 100 Schüler hatten.
Die Durlesbachschule im Bad Waldseer Ortsteil Reute (Kreis Ravensburg) hat nur wenige mehr: Zehn Lehrer mit unterschiedlich hohem Lehrauftrag unterrichten derzeit 115 Schüler. Ihren Hauptschulzweig hat die Schule aufgrund einer Regionalen Schulentwicklung bereits verloren. „Es war sicherlich kein Fehler, dass man das damals gemacht hat“, sagt Rektor Bernd Scharfenort, der erst nach dem Prozess an die Schule kam. Dem Vorschlag des Rechnungshofs steht er offen gegenüber. „Die Lehrerversorgung ist seit zwei Jahren so knapp, dass man sich darüber Gedanken machen muss“, sagt er. „Eine Diskussion über eine Regionale Schulentwicklung zu beginnen, halte ich für sinnvoll.“
Ähnlich äußert sich Edgar Bohn, Landesvorsitzender des Grundschulverbands. „Die Landesregierung ist unter großem Druck, weil die Lehrerversorgung an Grundschulen laut einer Bertelsmann-Studie nicht gesichert ist“, sagt er. Er sperre sich nicht grundsätzlich gegen eine Regionale Schulentwicklung, aber: „Es darf dabei nicht rein um Ressourcen und auf Kosten der Pädagogik gehen.“In vielen ländlichen Gemeinden seien die kleinen Grundschulen noch die einzige Identifikationsmöglichkeit.
Darauf verweist auch Doro Moritz, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. „Es wäre garantiert falsch, im ländlichen Raum die einzige Grundschule in einem größeren Gebiet zu schließen.“Vorstellbar sei dies nur dort, wo es mehrere Schulen gebe. In dieselbe Richtung argumentiert der Verband Bildung und Erziehung.
Kommunen strikt dagegen
Gemeindetagspräsident Roger Kehle (CDU) erteilt dem Vorstoß indes eine Absage. Sechsjährige Jungen und Mädchen kilometerweit in die Schule fahren zu lassen sei für die Kinder schlecht und verursache unnötige Fahrtkosten. „Bildung ist ein Kernelement der Daseinsvorsorge. Und Daseinsvorsorge lässt sich nicht nur betriebswirtschaftlich bewerten.“