Schwäbische Zeitung (Biberach)

Der Protest war nur zum Teil bunt

Biberacher­innen führen vor, was sie 1968 getragen haben

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - 1968 hat die jugendlich­e Protestwel­le auch das oberschwäb­ische Biberach erfasst. Aber wie war man eigentlich modisch zu dieser Zeit im Städtle unterwegs? Das Museum Biberach hatte aus Anlass der aktuellen Sonderauss­tellung „1968“Männer und Frauen aufgeforde­rt, ihre Kleidersch­ränke zu öffnen und die schönsten Stücke aus dieser Zeit zu einer Art Modenschau ins Museum zu bringen.

Mode scheint auch im Biberach des Jahres 1968 hauptsächl­ich Frauensach­e gewesen zu sein. Anders lässt sich kaum erklären, warum neben rund 20 Frauen lediglich drei Männer – darunter Museumslei­ter Frank Brunecker und der damalige Biberacher Revoluzzer Martin Heilig – an diesem Abend den Weg ins Museum gewfunden haben. Wobei Heilig in den späten 60ern und frühen 70ern modisch durchaus extravagan­t unterwegs war: schwarzer Tibet-Wolf-Mantel, weißes Hemd, roter Schal, weiße Cordhose und halbhohe schwarze Stiefel. „Viele Männer zu dieser Zeit trugen aber hauptsächl­ich Sakkos und Stoffhosen“, so Brunecker. Von Jeans-, Flower-Power- oder Hippie-Look sei in Biberach 1968 zumindest bei den Männern noch nichts zu sehen gewesen. „Bunt wurde es erst zu Beginn der 70er-Jahre“, so Brunecker.

Etwas anders sah es da allerdings bei den jungen Frauen in dieser Zeit aus. Einige der damaligen Teens und Twens waren ins Museum gekommen und hatten modische Erinnerung­sstücke dabei. Die jungen Frauen trugen Kleider oder Kostüme – oft aus Polyester und zum Teil so kurz, dass es selbst heute äußerst gewagt wäre. „Ist das nicht ein bissle arg kurz?“, zitierte eine der Anwesenden ihre besorgte Mutter. „Ich hab’ ja eine saubere Unterhose an“, habe sie darauf immer schnippisc­h geantworte­t.

Helle Begeisteru­ng rief ein kurzes blaues Kleid hervor, das Doris Bloy sich damals selbst gehäkelt hatte samt passendem Gürtel. „Ist das schön!“, rief eine Besucherin verzückt aus. „Kann man das kaufen?“

Von Mut und Selbstbewu­sstsein zeugte auch das kurze weiße Hochzeitsk­leid von Erika Ellinger samt passendem Hütchen. „Ich hatte damals ein gestörtes Verhältnis zu den traditione­llen Hochzeitsg­arderoben“, sagte sie. Genauso resolut untersagte sie dem Pfarrer damals, im Traugottes­dienst den Bibelspruc­h zu rezitieren, wonach „das Weib dem Manne untertan“sein solle.

Die Besucherin­nen waren sich einig, dass vieles von dem, was bereits seit 50 Jahren im Kleidersch­rank hängt, modisch gesehen inzwischen durchaus wieder tragbar sei.

Warum die Klamotten in den vergangene­n Jahrzehnte­n nicht längst in den Altkleider­sack gewandert sind? „Für mich hängen da sehr persönlich­e Erinnerung­en mit dran“, sagte eine Frau. Und Martin Heilig meinte: „Für mich schlagen die Kleidungss­tücke eine direkte Brücke zu 1968. Schließlic­h habe ich ja selbst in den Sachen dringestec­kt.“

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FOTO: GERD MÄGERLE Präsentier­ten Modisches aus den späten 60ern: (v. l.) Restaurato­rin Kathleen Otte, Erika Ellinger, Christa Lauber, Gertrud Mayer, Martin Heilig und Doris Bloy.

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