Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ein Schmuckkästchen für allgäuschwäbische Leibspeisen
Zunächst sei an dieser Stelle ein bisschen Leserpost beantwortet, bedauerlicherweise anonyme. In ihrem oder seinem Brief vom 16. Mai schreibt der oder die Unbekannte, dass er/sie mir „von ganzem Herzen“bei einem testweisen Essen eine Durchfallerkrankung wünscht, deren Verlauf sich gerne ein wenig hinziehen möge. Eine tiefergehende Begründung offenbart das kärglich von Hand geschriebene Stück Papier nicht, sodass der Ursprung der wenig freundlichen Worte im Ungewissen bleibt. Herrn oder Frau Unbekannt sei aber zugerufen: Bislang hat Ihre Verwünschung nicht der geringste Erfolg gezeigt.
Auch nicht beim erfreulichen Besuch des Gasthofs Ochsen in Kißlegg, wo sich nach einem Menü keinerlei Unpässlichkeiten sondern vielmehr ausgeprägtes Wohlbefinden ausbreitete.
Und das kommt so: Der Ochsen verfügt über große Gasträume, sogar einen Bankettsaal sowie einen lauschigen Biergarten. Die Gaststuben im Erdgeschoss sind durchweg behutsam in die Neuzeit überführt worden, ohne die traditionelle Ländlichkeit des Hauses auszulöschen. Das zeigt sich zum Beispiel am hellbraunen Holz, ergänzt von mit Leder gepolsterten Stühlen und natürlich am Ochsen selbst, der als Emblem oder auch Gehörn immer wieder aufblinkt. Bemerkenswert: Das Lokal ist durchgehend geöffnet, wodurch es noch ein echtes Wirtshaus ist. Mit knack-frischem Salatzauber vom Büfett beginnt das Mittagsmahl: Besonders geschmeidig-würzig offenbart sich dabei der schwäbische Kartoffelsalat, dessen Schmatzgeräusch beim Schöpfen schon Qualität verheißt. Die Tagessuppe mit Kräuterrauten ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine merkwürdig aber mundgerecht geschnittene Flädlesuppe, der allerdings ein wenig die Kraft fehlt. Gerade so, als seien der Küche beim Zubereiten der Brühe Fleisch und Knochen am Schluss ein bisschen knapp geworden. Hübsch, geschmackvoll und gesund: das fast fadendünn geschnittene Gemüse, bestehend aus Lauch und Karotten, das der suppigen Angelegenheit einen hübschen Biss verleiht.
Durchweg verlockend, weil handwerklich einwandfrei gemacht, räkelt sich das „Schwäbische Zweierlei“auf dem Teller. Da wären zunächst die mürbe geschmorten Ochsenbäckle, deren intensives Aroma nur noch von ihrer Zartheit übertroffen wird. In unmittelbarer Nachbarschaft glänzt das vermutlich sous-vide, also unter Vakuum gegarte, und dann gebratene Schweinefilet mit seinem saftigen Auftritt. Ein bisschen mehr Rosa wäre dem stellenweise etwas festen Fleisch noch besser bekommen. Doch spätestens, wenn die mustergültige Soße den Gaumen erreicht, ist diese Kleinigkeit vergessen, weil im Mund die Aromen zu einem beglückenden Hochgefühl aufblühen. Als sättigendes Element kommen lange Spätzle zum Einsatz, die durch das Bad in der vor Röstaromen und Fleischsaft nur so strotzenden Soße geadelt werden. Kuriosität am Rande: Die Küche macht sich die Mühe, mit zweierlei Spätzlesorten zu operieren, denn für die Variante mit Käse kommen Knöpfle zum Einsatz. Nicht nur deshalb ist das ehrwürdige Haus eine Empfehlung wert – auch der aufmerksame Service macht den Ochsen zum bodenständigen Schmuckkästchen für allgäuschwäbische Leibspeisen.