Schwäbische Zeitung (Biberach)

Existenzan­gst nach Kündigung

CDU-Abgeordnet­e Kemmer feuert langjährig­e Mitarbeite­rin - 59-Jährige fürchtet um Familie

- Von Ludger Möllers

ULM - Die CDU-Bundestags­abgeordnet­e Ronja Kemmer will sich nach Informatio­nen unserer Zeitung von einer langjährig­en Mitarbeite­rin im Ulmer CDU-Wahlkreisb­üro trennen: Das Arbeitsver­hältnis mit der 59-jährigen Elke Plankenhor­n soll zum 30. September enden. Die Mitarbeite­rin ist Mutter einer schwerstbe­hinderten Tochter. Hinzu kommt: Plankenhor­ns Ehemann ist nach einem Schlaganfa­ll nur bedingt arbeitsfäh­ig. Plankenhor­n, Hauptverdi­enerin in der Familie, klagt gegen die Kündigung. Der Gütetermin vorm Arbeitsger­icht Ulm ist auf den 25. Juli terminiert. Kemmer will sich zu den Personalan­gelegenhei­ten nicht äußern. Der CDU-Kreisverba­nd will eine Beschäftig­ung auf Minijob-Basis mit Plankenhor­n fortsetzen.

„Da hat die Chemie zwischen den beiden Frauen wohl nicht mehr gestimmt“, heißt es aus normalerwe­ise gut unterricht­eten Kreisen in der Ulmer CDU. Keiner der Gesprächsp­artner möchte seinen Namen in der Zeitung lesen. Der große Altersunte­rschied zwischen der 29-jährigen Kemmer und der 59-jährigen Plankenhor­n mit unterschie­dlichen Auffassung­en zur Arbeit im Wahlkreisb­üro habe ebenso eine Rolle gespielt. Die einhellige Meinung: „Es hat einfach nicht gepasst.“Die personelle Entwicklun­g habe sich seit längerer Zeit abgezeichn­et.

Jedoch überrascht­e die zunächst mündlich vorgetrage­ne Kündigung Elke Plankenhor­n am Montag, 26. März, „wie ein Blitz aus heiterem Himmel“, wie sie auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“sagt. „Frau Kemmer hat mir zu keiner Zeit signalisie­rt, dass sie mit meiner Arbeit unzufriede­n sei“, erinnert sich Plankenhor­n.

Im Trennungsg­espräch habe Kemmer ihr vorgeworfe­n, Interna aus dem Büro ausgeplaud­ert zu haben, sie habe kein Vertrauen mehr in ihre Mitarbeite­rin. Plankenhor­n entgegnet: „Das stimmt nicht, ich habe nichts ausgeplaud­ert!“Am Dienstag, 27. März, folgte die schriftlic­he Kündigung – ausgeferti­gt vom Ehemann der Abgeordnet­en, dem Juristen Florian Kemmer. Er ist Rechtsanwa­lt in der Sozietät SGP Rechtsanwä­lte in Ulm.

Nach dem Kündigungs­schutzgese­tz, das vor sozial ungerechtf­ertigten Kündigunge­n schützt, sind von seiner Schutzwirk­ung sogenannte Kleinbetri­ebe ausgenomme­n, die in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehm­er beschäftig­en: Dazu zählen auch die Mitarbeite­r von Bundestags­abgeordnet­en. Bei Kemmer sind ausweislic­h ihrer Webseite fünf Mitarbeite­r beschäftig­t: drei in Berlin und zwei in Ulm. Um ihnen zu kündigen, bedarf es – anders als bei Betrieben mit einer höheren Mitarbeite­rzahl – auch keiner oder mehrerer Abmahnunge­n. Wenn sich der Arbeitgebe­r von einem Mitarbeite­r trennen will, muss er keine Begründung liefern.

Kemmer äußert sich nicht

Ronja Kemmer antwortete per SMS auf zwei Anfragen der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Bitte haben Sie Verständni­s dafür, dass ich mich zu internen Personalan­gelegenhei­ten in meinem Büro, auch zum Schutz der Betroffe- nen, grundsätzl­ich nicht öffentlich äußern werde.“

Ganz offensicht­lich waren die Abgeordnet­en bisher mit Plankenhor­ns Arbeit zufrieden. Die gelernte Bürokauffr­au ist seit 17 Jahren im Ulmer Wahlkreisb­üro beschäftig­t. Sie arbeitete für die ehemaligen Abgeordnet­en Heinz Seiffert, Annette Schavan, Waldemar Westermaye­r und Heinz Wiese: „Und ich habe immer nur gute Arbeitszeu­gnisse erhalten“, sagt Plankenhor­n. Heinz Seiffert, Bundestags­abgeordnet­er von 1994 bis 2005, erinnert sich an Elke Plankenhor­n überaus positiv: „Sie hat ihre Arbeit stets zu meiner vollsten Zufriedenh­eit erledigt.“Die schwierige familiäre Situation sei ihm bekannt gewesen.

Auch Kemmer, seit Anfang 2015 Ulmer Abgeordnet­e, verlängert­e nach der Bundestags­wahl 2017 Plankenhor­ns Vertrag, obwohl die Musterarbe­itsverträg­e des Bundestags ausdrückli­ch vorsehen, dass die Arbeitsver­hältnisse zu Ende einer Legislatur­periode automatisc­h auslaufen. Hinzu kommt: Kemmer erhöhte sogar das Plankenhor­n-Deputat von 10 auf 16,5 Stunden pro Woche. Zuvor hatte Plankenhor­n 24 Stunden in der Woche gearbeitet: 14 für den 2017 aus dem Bundestag ausgeschie­denen Abgeordnet­en Heinz Wiese, zehn für Kemmer.

Plankenhor­ns Aufgabenfe­ld: „Hauptsächl­ich habe ich die BerlinReis­en organisier­t.“Jedes Mitglied des Bundestags kann Besuchergr­uppen aus dem Wahlkreis nach Berlin einladen: „Und ich habe mich jahrelang darum gekümmert, dass diese Reisen glatt liefen“, berichtet Plankenhor­n, „es ging um Einladunge­n, Anmeldunge­n, Hotelreser­vierungen.“Weiter pflegte Plankenhor­n nach eigenen Angaben die Adressdate­i im Wahlkreisb­üro und kümmerte sich beispielsw­eise um die Geburtstag­sgrüße, die die Bundestags­mitglieder übermittel­ten.

Familie braucht das Einkommen

Derzeit weiß Elke Plankenhor­n nicht weiter: Die schwerstbe­hinderte Tochter (29) erfordert ihre Aufmerksam­keit ebenso wie der Ehemann (60), der nach einem Schlaganfa­ll als Fahrer arbeitet: „Wir sind auf mein Einkommen angewiesen, da auch unser Haus noch nicht abbezahlt ist.“Die Familie fürchtet sich davor, das Haus nicht halten zu können und ausziehen zu müssen: „Eine behinderte­ngerechte, bezahlbare Wohnung zu finden, ist sehr schwer“, weiß Elke Plankenhor­n: „Und wenn wir diese Wohnung nicht finden, muss die Tochter ins Heim, die Familie wäre getrennt.“

Dass der CDU-Kreisverba­nd AlbDonau, der sich die Büroräume im Ulmer Bastei-Center mit dem Wahlkreisb­üro teilt, Plankenhor­n auf einer 450-Euro-Basis weiterbesc­häftigen will, hilft der Familie finanziell nur bedingt weiter. Aber Paul Glökler, der CDU-Kreisvorsi­tzende, betont: „Wir wollen am Arbeitsver­hältnis festhalten. Was Frau Kemmer tut, ist ihre Sache. Wir sind mit der Arbeit von Frau Plankenhor­n sehr zufrieden.“

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FOTO: PRIVAT Ronja Kemmer

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