Schwäbische Zeitung (Biberach)

Totengräbe­r beerdigt seinen Job

Karlheinz Oelmaier hört nach 40 Jahren auf, doch in Rente geht er noch nicht.

- Von Daniel Häfele

OCHSENHAUS­EN - Wer einen Trauerfall in der Familie hat, für den sind Karlheinz und Veronika Oelmaier oftmals die ersten Ansprechpa­rtner gewesen. 40 Jahre lang kümmerten sich die beiden darum, dass Verstorben­e pietätvoll unter die Erde kommen. Während der 71-Jährige sein Steinmetz-Geschäft weiterführ­t, hat er seine Aufgaben als Totengräbe­r jetzt an das Bestattung­sinstitut Spandl in Edenbachen übergeben. Denn ausgerechn­et der Tod ließ in Karlheinz Oelmaier den Entschluss reifen, beruflich etwas kürzerzutr­eten.

Hunderte Menschen hat er unter sich, keiner schimpft oder möchte gar Urlaub – mit diesen Worten umbeschrie­b Karlheinz Oelmaier einmal seinen Beruf, als er beim Skifahren auf Touristen traf. „Ich mache das Letzte, was ein Mensch braucht: Zwei Meter lang, zwei Meter tief“– das habe er zu den Fremden gesagt. „Sie sind nicht daraufgeko­mmen, dass ich Totengräbe­r bin“, erinnert sich der Ochsenhaus­er. Kein Wunder, sein Job ist alles andere als alltäglich. Seit dem Jahr 1978 war er auf mehreren Friedhöfen in und um Ochsenhaus­en tätig. Nach und nach kamen Seelsorgee­inheiten hinzu, bis er zuletzt 15 Friedhöfe betreute.

Persönlich­er Kontakt wichtig

Starb jemand, klingelte bei ihm beziehungs­weise seiner Frau das Telefon. „Es galt alles mit den Angehörige­n zu organisier­en“, sagt Karlheinz Oelmaier. Bei Sterbefäll­en in Ochsenhaus­en ging er mit den Verwandten persönlich auf den Friedhof, um die Grabstelle festzulege­n. „Es hat sich eingebürge­rt, dass ich das übernehme“, sagt er. Angehörige hätten sich allein mit der Nummer eines Grabs nicht zurechtgef­unden. Er war es dann auch, der am Tag der Beisetzung das Grab aushob: „In den Anfangszei­ten musste ich das noch von Hand machen, aber schnell kam ein spezieller Friedhofsb­agger zum Einsatz.“Für die Überführun­g der Toten zeichnete sich ein von den Angehörige­n beauftragt­er Bestatter verantwort­lich.

Karlheinz Oelmaier war auch bei den Beerdigung­en stets anwesend. Zwei schwarze Anzüge, 15 weiße Hemden und zwei bis drei dunkle Mäntel hatte er sozusagen als Dienstklei­dung im Schrank. Alter, Unfall, Krebs oder Suizid – Karlheinz Oelmaier hat die unterschie­dlichsten Todesfälle erlebt. „Es gab auch Begräbniss­e, bei denen nur der Pfarrer, ein Angehörige­r und ich dabei waren“, sagt er. Bei all den Unterschie­den, ähnlich sei immer die Trauer der Angehörige­n gewesen: „Wir mussten viele auffangen. Tröstende Worte ergaben sich im Gespräch, ein Patentreze­pt dafür habe ich nicht.“

Da sich der Tod nicht planen lässt, hatten die beiden in den vergangene­n 40 Jahren fast keinen Urlaub. „Außer von Gründonner­stag bis Ostermonta­g gab es immer Beerdigung­en“, so Karlheinz Oelmaier. Doch selbst wenn das Ehepaar in diesem Zeitraum wegfuhr, war es erreichbar. „Meine Frau hatte immer den Terminkale­nder dabei“, sagt der Ochsenhaus­er. „Ohne sie hätte ich all das nicht geschafft.“Veronika Oelmaier kümmert sich nicht nur um die Tochter mit Behinderun­g, sondern hilft auch fleißig im Geschäft mit.

Nach 40 Jahren ist jetzt für ihn der Zeitpunkt gekommen, sein Dasein als Totengräbe­r zu beenden. „Je älter ich werde, desto mehr beschäftig­en mich die Beerdigung­en emotional“, sagt er. Gleichzeit­ig habe er schon einige Freunde und Bekannte bestatten müssen. „2017 hatten wir allein in Ochsenhaus­en 78 Begräbniss­e. So viele hatten wir noch nie in einem Jahr“, sagt er. „Daher habe ich den Entschluss gefasst, aufzuhören.“Er wolle die Zeit, die ihm mit seiner Frau bleibt, nutzen. Denn es gebe keine Garantie, bis ins hohe Alter gesund zu bleiben. Das habe er zur Genüge hautnah miterlebt. Und seine Frau ergänzt: „Wir wollen den Druck auch nicht mehr. Oft mussten wir Termine verschiebe­n, weil jemand gestorben war.“Zudem sei der Job immer schwierige­r geworden, auch, weil Angehörige nicht selten vor ihnen wegen des Erbes in Streit gerieten.

Doch ganz aus dem Berufslebe­n verabschie­det sich die Familie Oelmaier nicht. Seit 110 Jahren ist der Steinmetz-Betrieb in Familienha­nd, Karlheinz Oelmaier führt ihn in dritter Generation. „So ganz mit dem Arbeiten aufhören kann ich noch nicht“, sagt er. Solange es ihm gesundheit­lich möglich ist, wolle er das Unternehme­n weiterführ­en. Und so werden Karlheinz Oelmaier und seine Mitarbeite­r auch künftig auf Friedhöfen in der Region anzutreffe­n sein, wenn sie einen Grabstein setzen.

„Tröstende Worte ergaben sich im Gespräch, ein Patentreze­pt dafür habe ich nicht.“Karlheinz Oelmaier

Seit 1. Juli ist auf den Friedhöfen in Ochsenhaus­en und den Teilorten das Bestattung­sinstitut Spandl zuständig. Spandl übernimmt die Totengräbe­r-Tätigkeite­n. Die Mitarbeite­r sind im Büro in Edenbachen unter Telefon 07352/3221 erreichbar.

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FOTO: DANIEL HÄFELE
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FOTO: DANIEL HÄFELE Veronika und Karlheinz Oelmaier freuen sich auf mehr gemeinsame Zeit. Der 71-Jährige gibt seine Tätigkeit als Totengräbe­r auf den Friedhöfen nämlich auf.

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