Schwäbische Zeitung (Biberach)
Totengräber beerdigt seinen Job
Karlheinz Oelmaier hört nach 40 Jahren auf, doch in Rente geht er noch nicht.
OCHSENHAUSEN - Wer einen Trauerfall in der Familie hat, für den sind Karlheinz und Veronika Oelmaier oftmals die ersten Ansprechpartner gewesen. 40 Jahre lang kümmerten sich die beiden darum, dass Verstorbene pietätvoll unter die Erde kommen. Während der 71-Jährige sein Steinmetz-Geschäft weiterführt, hat er seine Aufgaben als Totengräber jetzt an das Bestattungsinstitut Spandl in Edenbachen übergeben. Denn ausgerechnet der Tod ließ in Karlheinz Oelmaier den Entschluss reifen, beruflich etwas kürzerzutreten.
Hunderte Menschen hat er unter sich, keiner schimpft oder möchte gar Urlaub – mit diesen Worten umbeschrieb Karlheinz Oelmaier einmal seinen Beruf, als er beim Skifahren auf Touristen traf. „Ich mache das Letzte, was ein Mensch braucht: Zwei Meter lang, zwei Meter tief“– das habe er zu den Fremden gesagt. „Sie sind nicht daraufgekommen, dass ich Totengräber bin“, erinnert sich der Ochsenhauser. Kein Wunder, sein Job ist alles andere als alltäglich. Seit dem Jahr 1978 war er auf mehreren Friedhöfen in und um Ochsenhausen tätig. Nach und nach kamen Seelsorgeeinheiten hinzu, bis er zuletzt 15 Friedhöfe betreute.
Persönlicher Kontakt wichtig
Starb jemand, klingelte bei ihm beziehungsweise seiner Frau das Telefon. „Es galt alles mit den Angehörigen zu organisieren“, sagt Karlheinz Oelmaier. Bei Sterbefällen in Ochsenhausen ging er mit den Verwandten persönlich auf den Friedhof, um die Grabstelle festzulegen. „Es hat sich eingebürgert, dass ich das übernehme“, sagt er. Angehörige hätten sich allein mit der Nummer eines Grabs nicht zurechtgefunden. Er war es dann auch, der am Tag der Beisetzung das Grab aushob: „In den Anfangszeiten musste ich das noch von Hand machen, aber schnell kam ein spezieller Friedhofsbagger zum Einsatz.“Für die Überführung der Toten zeichnete sich ein von den Angehörigen beauftragter Bestatter verantwortlich.
Karlheinz Oelmaier war auch bei den Beerdigungen stets anwesend. Zwei schwarze Anzüge, 15 weiße Hemden und zwei bis drei dunkle Mäntel hatte er sozusagen als Dienstkleidung im Schrank. Alter, Unfall, Krebs oder Suizid – Karlheinz Oelmaier hat die unterschiedlichsten Todesfälle erlebt. „Es gab auch Begräbnisse, bei denen nur der Pfarrer, ein Angehöriger und ich dabei waren“, sagt er. Bei all den Unterschieden, ähnlich sei immer die Trauer der Angehörigen gewesen: „Wir mussten viele auffangen. Tröstende Worte ergaben sich im Gespräch, ein Patentrezept dafür habe ich nicht.“
Da sich der Tod nicht planen lässt, hatten die beiden in den vergangenen 40 Jahren fast keinen Urlaub. „Außer von Gründonnerstag bis Ostermontag gab es immer Beerdigungen“, so Karlheinz Oelmaier. Doch selbst wenn das Ehepaar in diesem Zeitraum wegfuhr, war es erreichbar. „Meine Frau hatte immer den Terminkalender dabei“, sagt der Ochsenhauser. „Ohne sie hätte ich all das nicht geschafft.“Veronika Oelmaier kümmert sich nicht nur um die Tochter mit Behinderung, sondern hilft auch fleißig im Geschäft mit.
Nach 40 Jahren ist jetzt für ihn der Zeitpunkt gekommen, sein Dasein als Totengräber zu beenden. „Je älter ich werde, desto mehr beschäftigen mich die Beerdigungen emotional“, sagt er. Gleichzeitig habe er schon einige Freunde und Bekannte bestatten müssen. „2017 hatten wir allein in Ochsenhausen 78 Begräbnisse. So viele hatten wir noch nie in einem Jahr“, sagt er. „Daher habe ich den Entschluss gefasst, aufzuhören.“Er wolle die Zeit, die ihm mit seiner Frau bleibt, nutzen. Denn es gebe keine Garantie, bis ins hohe Alter gesund zu bleiben. Das habe er zur Genüge hautnah miterlebt. Und seine Frau ergänzt: „Wir wollen den Druck auch nicht mehr. Oft mussten wir Termine verschieben, weil jemand gestorben war.“Zudem sei der Job immer schwieriger geworden, auch, weil Angehörige nicht selten vor ihnen wegen des Erbes in Streit gerieten.
Doch ganz aus dem Berufsleben verabschiedet sich die Familie Oelmaier nicht. Seit 110 Jahren ist der Steinmetz-Betrieb in Familienhand, Karlheinz Oelmaier führt ihn in dritter Generation. „So ganz mit dem Arbeiten aufhören kann ich noch nicht“, sagt er. Solange es ihm gesundheitlich möglich ist, wolle er das Unternehmen weiterführen. Und so werden Karlheinz Oelmaier und seine Mitarbeiter auch künftig auf Friedhöfen in der Region anzutreffen sein, wenn sie einen Grabstein setzen.
„Tröstende Worte ergaben sich im Gespräch, ein Patentrezept dafür habe ich nicht.“Karlheinz Oelmaier
Seit 1. Juli ist auf den Friedhöfen in Ochsenhausen und den Teilorten das Bestattungsinstitut Spandl zuständig. Spandl übernimmt die Totengräber-Tätigkeiten. Die Mitarbeiter sind im Büro in Edenbachen unter Telefon 07352/3221 erreichbar.