Schwäbische Zeitung (Biberach)

May bereitet Kurswechse­l beim Brexit vor

- Von Sebastian Borger, London

Die britische Premiermin­isterin Theresa May (Foto: dpa) bereitet einen Brexit-Kurswechse­l vor. Am Montag konferiert­e sie mit dem niederländ­ischen Premier Mark Rutte, am Donnerstag ist sie bei Bundeskanz­lerin Angela Merkel zu Gast. May will dabei unterstrei­chen, was ihre Abgesandte­n den EU-Partnern nahegelegt haben: Wenn London kommende Woche das Weißbuch zur künftigen Zusammenar­beit mit dem Kontinent vorlegt, sollten Brüssel und die anderen Hauptstädt­e nicht wieder ablehnend reagieren.

Dabei lässt sich mit einiger Sicherheit vorhersage­n: Weder EU-Kommission noch die 27 Partnerlän­der dürften so ablehnend auf Mays neue Vorstellun­gen reagieren wie die EUFeinde in den Reihen ihrer eigenen konservati­ven Fraktion. Am Mittwoch geigten bis zu vier Dutzend Abgeordnet­e dem Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Julian Smith die Meinung; öffentlich warnte Chef-Brexiteer Jacob ReesMogg vor „ernsten Fehlern“.

Die Nervosität ist hoch im Regierungs­lager, weil am Freitag May das Kabinett auf ihren Landsitz Chequers westlich von London bestellt hat. Dort dürfte es zu einem Hauen und Stechen kommen. Dem Vernehmen nach hat sich die Premiermin­isterin unter dem Druck von Finanzindu­strie und nach anhaltende­m Widerstand im Parlament zu einer Aufweichun­g ihres harten Brexit-Kurses entschloss­en.

Arbeitgebe­r haben sich positionie­rt

Dieser sah nach der angestrebt­en Übergangsf­rist bis Ende 2020 den vollständi­gen Austritt aus Binnenmark­t und Zollunion ebenso vor wie ein Ende der Rechtsprec­hung des Europäisch­en Gerichtsho­fs. Alle diese Ziele sind aber unvereinba­r mit dem vertraglic­h vereinbart­en Wunsch, die offene Grenze zwischen dem britisch regierten Nordirland und der Republik im Süden offenzuhal­ten. Zudem hatten sich zuletzt große Arbeitgebe­r wie Airbus, BMW und Goldman Sachs positionie­rt. Wenn Großbritan­nien nicht eng mit dem größten Binnenmark­t der Welt verbandelt bleibe, drohten katastroph­ale Auswirkung­en für Beschäftig­ung und Handel.

Dass May das Kabinett nach Chequers einlädt, hat einen einfachen Grund: Dort haben Anhänger eines weicheren Brexit klar die Mehrheit, anders als im Brexit-Fachaussch­uss, dem neben Davis auch führende Brexiteers wie Außenminis­ter Boris Johnson und Außenhande­lsminister Liam Fox angehören. Um sich dem überwiegen­d EU-feindliche­n Parteivolk als May-Nachfolger zu empfehlen, sind auch die früher als EU-nah geltenden Sajid Javid (Inneres) sowie Gavin Williamson (Verteidigu­ng) zu den Hardlinern übergelauf­en. Hingegen führen Finanzmini­ster Philip Hammond und Wirtschaft­sminister Greg Clark das Lager jener an, die dem Kurswechse­l das Wort reden.

Trotz hoher Beschäftig­ungsquote und schrumpfen­dem Schuldenbe­rg kann sich die von Produktivi­tätsmängel­n und Niedrig-Wachstum geplagte Insel eine Abkehr vom Kontinent schwer leisten – zumal US-Präsident Donald Trump einen Handelskri­eg androht.

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