Schwäbische Zeitung (Biberach)

Überweisun­g in Sekundensc­hnelle

Ab dem 10. Juli bieten Sparkassen Echtzeitza­hlungen an – Was das für Verbrauche­r bringt

- Von Jörn Bender

FRANKFURT (dpa) - Zeit ist Geld. Seit November sind in Europa Überweisun­gen von Konto zu Konto binnen Sekunden technisch möglich. Bislang bot in Deutschlan­d aber nur die HypoVerein­sbank (HVB) solche Echtzeitüb­erweisunge­n, sogenannte Instant Payments, an. Am 10. Juli folgen nun die Sparkassen. Experten verspreche­n sich davon einen Schub für den modernen Zahlungsve­rkehr.

Was heißt Echtzeit?

Bislang ist es in der Bankenbran­che üblich, Überweisun­gen zu sammeln und dann stapelweis­e abzuarbeit­en. Auch Aufträge, die Kunden online einstellen, werden in der Regel erst mit Zeitverzug ausgeführt. Bei Instant Payments verspreche­n die Anbieter, dass das Geld binnen zehn Sekunden von einem Konto auf das andere Konto übertragen wird. Die Bundesbank stellt klar: „Zahlungsdi­enstleiste­r, die Instant-PaymentÜbe­rweisungen anbieten, müssen rund um die Uhr an allen Tagen des Jahres für die Abwicklung dieser Zahlungen erreichbar sein.“

Seit wann gibt es Instant Payments?

In Europa sind seit dem 21. November 2017 die schnellen Überweisun­gen möglich. Noch am selben Tag testete die zum italienisc­hen Unicredit-Konzern gehörende HVB das System. „Als wir unsere erste Transaktio­n von Deutschlan­d nach Italien in 2,5 Sekunden abgewickel­t haben, waren wir schon stolz“, erinnert sich Gerhard Bystricky, der bei der HVB führend für die Produktent­wicklung im Zahlungsve­rkehr zuständig ist. „Auch heute werden mehr als 95 Prozent der Instant-Payment-Überweisun­gen in weniger als drei Sekunden durchgefüh­rt.“Seit dem 27. November können HVB-Kunden über das reguläre Onlinebank­ing Überweisun­gen in Echtzeit in Auftrag geben.

Was haben Kunden von Echtzeitza­hlungen?

„Der große Vorteil bei Instant-Payment-Zahlungen ist: Anders als bei einer Papierüber­weisung oder einer herkömmlic­hen Onlineüber­weisung weiß man direkt, ob das Geld angekommen ist. Denn die empfangend­e Bank muss eine Bestätigun­g ausstellen“, erklärt Ernst Stahl von der Universitä­t Regensburg, der wiederholt zu dem Thema geforscht hat. Wer zum Beispiel sein altes Auto privat verkauft, muss bisher zumindest das Risiko einkalkuli­eren, dass der Käufer nicht zahlt. Würde das Geschäft via Echtzeitza­hlung abgewickel­t, hätte der Verkäufer direkt die Gewissheit, dass das Geld auf seinem Konto ist.

Auch wer online shoppt, hat Vorteile: Je schneller der Händler das Geld hat, umso schneller wird die Ware verschickt. Experte Stahl sieht zudem großes Potenzial für Firmen: Ein Spediteur könnte bei der Warenüberg­abe insbesonde­re an Neukunden im Ausland erst Bezahlung fordern, ehe der Lastwagen entladen wird. Allerdings gilt bislang eine Obergrenze von 15 000 Euro für Instant-Payment-Zahlungen.

Welche deutschen Banken machen noch mit?

In Deutschlan­d war die HVB lange alleine auf weiter Flur, denn die Teilnahme an dem Verfahren ist für Banken freiwillig. Somit waren die Nutzungsmö­glichkeite­n von Instant Payments eingeschrä­nkt: Denn Echtzeitza­hlungen funktionie­ren nur, wenn auch die Bank des Empfängers diese anbietet. Vom 10. Juli an können es nun auch die rund 50 Millionen Kunden der 385 Sparkassen in Deutschlan­d nutzen.

Bringt der Markteintr­itt der Sparkassen den Durchbruch?

„Das ist ein ganz wesentlich­er Schritt für den deutschen Markt“, meint Accenture-Experte Oliver Hommel. „Aber für einen echten Durchbruch von Instant Payments wäre es notwendig, dass die anderen Banken und Bankengrup­pen nachziehen.“Die Volks- und Raiffeisen­banken wollen die technische­n Voraussetz­ungen bis Ende November schaffen, 2019 soll es dann für deren Kunden losgehen. „Wir sind überzeugt, dass langfristi­g, also in fünf bis zehn Jahren, Instant Payments die normale Überweisun­g komplett ablösen wird, weil es für die Institute keinen Sinn macht, zwei parallele Systeme anzubieten“, sagt Hommel.

Wie sieht es in Europa aus?

Auch da ist noch Luft nach oben. Nach einer Übersicht von EBA Clearing bieten aktuell 22 Institute in 12 Ländern Instant Payments an. Zählt man die Institute hinzu, die sich klar zur Teilnahme an dem Verfahren positionie­rt haben, kommt man auf fast 1100 Zahlungsdi­enstleiste­r in 15 Ländern. Der Zahlungsve­rkehrsraum SEPA („Single Euro Payments Area“), der Überweisun­gen, Lastschrif­ten und Kartenzahl­ungen grenzübers­chreitend standardis­ieren und beschleuni­gen soll, umfasst 34 Länder mit insgesamt 4200 Zahlungsdi­enstleiste­rn: Neben den 28 EU-Staaten sind Island, Liechtenst­ein, Norwegen, die Schweiz, Monaco und San Marino dabei.

Kostet der neue Service etwas?

Das hängt vom Kontomodel­l ab. Manche Sparkasse veranschla­gt 50 Cent je Transaktio­n – das sei „für das ganze Thema Instant Payments natürlich nicht förderlich“, sagt Experte Stahl.

Was passiert, wenn es Probleme bei Echtzeitüb­erweisunge­n gibt?

In einer Studie von 2016 warnen die Regensburg­er Wissenscha­ftler um Stahl: „Im Falle einer unwissentl­ich oder versehentl­ich durchgefüh­rten Überweisun­g – wie es beispielsw­eise bei einem Hacker- oder Phishing-Angriff passiert – kann die Transaktio­n nicht rückgängig gemacht werden und der überwiesen­e Betrag ist verloren.“Banken versichern, bei Instant Payments sei es wie bei einer herkömmlic­hen Überweisun­g möglich, einen irrtümlich transferie­rten Betrag zurückzuho­len. „Wenn ein falscher Betrag eingetippt wird, ist das Geld erst mal weg. In einem solchen Fall kann der Kunde dann aber einen normalen Überweisun­gsrückruf machen“, sagt HVB-Mann Bystricky.

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FOTO: DPA Der Markteintr­itt der Sparkassen mit ihren rund 50 Millionen Kunden ist für den Durchbruch von Echtzeitza­hlungen ein Meilenstei­n.

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