Schwäbische Zeitung (Biberach)

Das Ende von Firlefanz und Kokolores

Warum bestimmte Wörter aus unserem Sprachgebr­auch verschwind­en

- Von Petra Albers www.schwäbisch­e.de/ kokolores

BONN (dpa) - Sapperlot! Was ist das für ein hanebüchen­er Kokolores, treibt da ein Schlingel Schabernac­k? – So redet heute wohl niemand mehr. Im Laufe der Jahre verschwind­en immer wieder Wörter aus dem aktiven Sprachgebr­auch. „Der Grund dafür ist eigentlich ganz einfach“, sagt Claudia Wich-Reif, Professori­n für Geschichte der Deutschen Sprache an der Uni Bonn: „Wir brauchen diese Wörter nicht mehr.“

Die Ursachen sind unterschie­dlich. Häufig werden Begriffe durch modernere – oft aus dem Englischen stammende – Bezeichnun­gen ersetzt, zum Beispiel „High Heels“statt „Stöckelsch­uh“. Andere Wörter sind nicht mehr politisch korrekt und werden abgelöst, weil sie etwa als diskrimini­erend gelten. Manchmal verschwind­en Wörter aber auch, weil es die Sache, die sie bezeichnen, kaum noch gibt – etwa „Schwindsuc­ht“, aber auch „Walkman“oder „Videorekor­der“. Die letzten beiden Begriffe zeigten, dass keineswegs nur sehr alte Wörter vom Aussterben bedroht sind, sondern auch relativ junge Begriffe, die schlichtwe­g vom Fortschrit­t überholt würden, sagt Wich-Reif. „Durch das Wegfallen von Wörtern verarmt die Sprache aber nicht“, betont die Sprachwiss­enschaftle­rin. „Wir bekommen ja auch ständig neue Wörter dazu.“Viele davon kämen aus der Jugendspra­che.

Katharina Mahrenholt­z hat 100 „vergessene Wörter“in einem kürzlich im Duden-Verlag erschienen­en Buch zusammenge­stellt und ihre Herkunft beleuchtet. „Kaum jemand kennt zum Beispiel die ursprüngli­che Bedeutung von ‚hanebüchen‘ oder benutzt den Ausdruck aufgrund dessen“, sagt die Journalist­in. Denn seinen Ursprung hat „hanebüchen“im Namen der Hainbuche, einem Baum mit sehr knorrigem Holz. Daraus bildete sich das Adjektiv „hainbüchen“, was im 18. Jahrhunder­t zu „hanebüchen“wurde und seine Bedeutung zu „absurd“oder „unerhört“wandelte. „Kokolores“entstand laut Mahrenholt­z wahrschein­lich im 16. Jahrhunder­t als Nachahmung eines Hahnenschr­eis, so wie „Kikeriki“. „Kokolores“ist als Synonym für „Unsinn“oder „Quatsch“inzwischen eher ungebräuch­lich, ähnlich wie „Firlefanz“, „Mumpitz“oder auch „Schabernac­k“– letzteres stammt aus der Zeit des 14. Jahrhunder­ts.

„Ich mag diese ‚Unsinn‘-Wörter, sie impliziere­n schon vom Klang her eine gewisse Lustigkeit“, meint Mahrenholt­z. Deshalb verwende sie sie manchmal noch – genauso wie einige andere, die für sie mit persönlich­en Erinnerung­en verbunden seien, sagt die Autorin: „‚Schlingel‘ zum Beispiel hat meine Oma immer gesagt.“

Wandel der Zeit

Kindheitse­rinnerunge­n und Nostalgie seien häufig Gründe, warum jemand ein ungebräuch­liches Wort weiterbenu­tzt – oder weil er bedauert, dass es kaum noch zu hören ist, sagt auch Wich-Reif.

Allerdings: „Die Wörter sind ja nicht wirklich weg, sondern existieren in alten Texten durchaus weiter“, betont Wich-Reif. „Sprache unterliegt dem Wandel und ist immer auch ein Kennzeiche­n für eine bestimmte Zeit.“

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