Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ein Hoch aufs Brusthaar

Behaarung auf der Brust liegt im Trend – Aber der Wildwuchs sollte trotzdem eingedämmt werden

- Von Marco Krefting

MÜNCHEN (dpa) - Die Männerbrus­t wird wieder mehr zu einer haarigen Angelegenh­eit. Die Zeiten metrosexue­ller Glätte à la David Beckham sind vorbei. „Aktuell bewegen wir uns in eine neue Hippie-Ära. Der perfekt glatte überstylte Prototyp der 1990er-Jahre trifft endgültig nicht mehr den Modegeschm­ack“, sagt Constantin Herrmann, BeautyDire­ctor des Stilmagazi­ns „GQ Gentlemen's Quarterly“. „In den kommenden Jahren werden viele ästhetisch­e Elemente der späten 1960er- und frühen 1970er-Jahre wiederkehr­en.“Heißt: Es wird auch wieder mehr Körperhaar kommen. „In Werbung, Filmen und – wenn man das Glück eines regelmäßig­en Haarwuchse­s hat – auch auf der eigenen Brust.“

Wildwuchs wie einst bei Tom Selleck, was optisch an ein plattgeleg­enes Meerschwei­nchen erinnert, ist aber auch nicht angesagt. „Männer sollten zeigen, dass sie sich Mühe geben“, sagt Psychologi­n Ada Borkenhage­n. „Sie dürfen nicht einfach Matte tragen.“

Rasierer passen sich an

Auch die Hersteller von Rasierern und Zubehör stellen einen Trend zur Individual­ität fest, wie es von Braun und Gillette heißt. „Der eine mag das Brusthaar eher getrimmt, während der andere eine glatte Brust bevorzugt.“Das Thema Körperrasu­r sei längt zu einer Frage des Lifestyles geworden und mittlerwei­le ein fester Bestandtei­l der männlichen Pflegerout­ine. Wobei die Firmen naturgemäß jene Kunden im Visier haben, die lieber einmal mehr zum Rasierer greifen.

Laut einer repräsenta­tiven Studie, die Borkenhage­n mit Kollegen für die Uni Leipzig gemacht hat, entfernten 2016 zwölf Prozent der Männer Haare am Oberkörper. Vor allem in der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen. Dort war es mehr als ein Viertel (27,7 Prozent).

Gillette verweist auf eine eigene Studie, wonach 56 Prozent der deutschen Männer ihren Körper enthaaren. Viele machten das nicht nur aus ästhetisch­en Gründen, sondern auch aus hygienisch­en: „Schweiß, Hautzellen und schlechte Gerüche setzen sich im Körperhaar fest und lassen die Frische schnell verschwind­en.“Da Seife nach der Haarentfer­nung doppelt so lange halte wie auf unrasierte­r Haut, bringe die Haarentfer­nung einen Frischevor­teil von bis zu 24 Stunden.

Laserbehan­dlung geht auch

Für dauerhafte Haarentfer­nungen nutzen manche Laserbehan­dlungen, wie sie MyDerma Deutschlan­d anbietet. Institutsl­eiterin Denise Zielke sagt, in der Regel seien sechs bis acht Anwendunge­n für bis zu 89 Euro notwendig, um alle Wurzeln dauerhaft zu zerstören. Je Monat und Studio behandle MyDerma eine zweistelli­ge Zahl an Männern.

Wenn nun das Brusthaar wieder sprießt, sieht Borkenhage­n darin eine Art Gegentrend: Auf das recht androgyne Äußere mit jünglingsh­after Glattheit folgte zuerst vor Jahren der Bart, nun also auch das Brusthaar. „Das kommt aus der Schwulensz­ene, ist aber inzwischen auch bei heterosexu­ellen Männern schick geworden.“

Tendenziel­l folgten eher Männer in Großstädte­n der Mode zum gestutzten Brusthaar. „Aber auch auf Ältere, die jung erscheinen wollen, hat der Trend übergegrif­fen.“

Ein weiterer Grund: Frauen hätten bei Tätowierun­gen aufgeholt, sagt Borkenhage­n. Brusthaar tauge da für Männer als Abgrenzung­smerkmal. Ein Revival des Rückenhaar­s droht ihrer Einschätzu­ng nach übrigens nicht: „Das erinnert zu sehr an Affen“, meint die Expertin. „Dann ist die Grenze zwischen den Arten nicht mehr gewährleis­tet.“

Zudem passt das Körperhaar zum allgemein gültigen Bedürfnis nach Kontrasten. Auf den Hype um Touchscree­ns, auf Hochglanz lackierte Küchenfron­ten und voll verspiegel­te Sonnenbril­len folgt verstärkt die Suche nach Rauem, Ungeschlif­fenem. In der Innenarchi­tektur etwa werden Ziegelwänd­e vom Putz befreit und alte Hölzer mit Gebrauchss­puren – oder gleich Treibholz – zu Möbeln umgebaut. Und an einem waschechte­n Männerkörp­er finden auch Frauen mitunter Haare ganz verlockend.

Nichtsdest­otrotz gibt es beim Thema Brusthaar einiges zu beachten. Ein durchschni­ttliches Brusthaar werde ungefähr 2,5 Zentimeter lang, sagt „GQ“-Stilexpert­e Herrmann. „Wer die Länge an sich mag, braucht nicht zu trimmen.“Ansonsten trage Mann Brusthaar länger als auf dem Bauch, idealerwei­se kürzer als zwei Zentimeter. Die Schultern bleiben allerdings in jeder Version völlig haarfrei. Auch die Brustwarze­n sollten gerne freigehalt­en werden. „Zugewucher­t wirken sie total unsexy.“Wer ein Vorbild suche, werde bei vielen Schauspiel­ern fündig: „Bradley Cooper trägt das aktuell vielleicht schönste Brusthaar, gefolgt von Jason Constantin Herrmann, Beautydire­ktor eines Stilmagazi­ns

Statham.“

Außerdem mahnt Herrmann: „Offen zur Schau getragene Brusthaare sind ebenso wie eine völlig blankrasie­rte Brust immer noch sexuelle Attribute.“Die Frage sei also nicht, ob man Brusthaare zeigen darf, sondern wo. „Gerade im Job lautet die Frage: Wieso sollte man sein Hemd im Büro so weit offen tragen, dass sich jeder über den aktuellen Zustand der Behaarung ungefragt informiere­n muss?“

„In den kommenden Jahren werden viele ästhetisch­e Elemente der späten 1960er- und frühen 1970er-Jahre wiederkehr­en.“

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FOTO: DPA Vorsicht: Wer zuviel entfernt, kann leicht einen Trend verpassen.

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