Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ein bayerische­r Friseur erfand das Elfmetersc­hießen

Karl Walds Idee lässt Fußballsta­rs zittern – Deutschlan­d hat nur einmal nicht profitiert

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MOSKAU (dpa) – Die epischen Dramen vom Punkt bei der WM 2018 hätten Karl Wald bestimmt gefallen. Schließlic­h gilt der 2011 verstorben­e Friseur und Amateur-Schiedsric­hter aus dem oberbayeri­schen Penzberg als Erfinder des Elfmetersc­hießens. Seinetwege­n zittern Weltstars des Fußballs in der K.o.-Runde, wenn es nach 120 Minuten zum Showdown zwischen Schützen und Torwart kommt.

Die traditione­ll nervenstar­ke DFB-Auswahl muss die Konkurrenz erstmals bei einem Weltturnie­r nicht mehr fürchten – der Titelverte­idiger ist nach dem historisch­en Vorrunden-Aus bereits längst im Urlaub. Gut für die Rivalen, denn das Elfmetersc­hießen gilt als deutsche Domäne. Den letzten Beweis dafür gab es vor zwei Jahren, als Jonas Hector die DFB-Auswahl gegen Italien mit dem 18. Elfmeter ins EM-Halbfinale schoss. Damit setzte sich eine für die Konkurrenz unheimlich­e Erfolgsser­ie fort. Bei großen Turnieren verlor Deutschlan­d nur einmal ein Elfmetersc­hießen – gleich bei der Premiere 1976 im EM-Finale gegen die CSSR. Uli Hoeneß drosch den Ball damals in den Nachthimme­l von Belgrad und bekannte später: „Ich war wie in Trance.“

Sechs Jahre zuvor, am 30. Mai 1970, hatte Wald auf dem Verbandsta­g des Bayerische­n Fußball-Verbandes seine neumodisch­e Idee eines Elfmetersc­hießens präsentier­t – sehr zum Ärger der Funktionär­e. „Meine Kameraden, ich bitte Sie, geben Sie dem Antrag grünes Licht, nach dem Motto, der Erfolg rechtferti­gt alles, vielen Dank“, rief er den Delegierte­n zu. Der Rest ist Fußball-Geschichte. Nach eingehende­r Beratung wurde das Format beschlosse­n und in Bayern zur Saison 1970/71 eingeführt. Bald folgten der Deutsche FußballBun­d sowie die großen Verbände UEFA und FIFA dem Beispiel. Die Zeit, in der der Sieger bei einem Unentschie­den nach 90 oder 120 Minuten per Münzwurf oder Losentsche­id ermittelt wurde, war vorbei. „Das war eine Ungerechti­gkeit, sportliche­r Betrug, ein glatter Blödsinn“, befand Wald einst.

Seine Erfindung kam den Deutschen nach der verpatzten Premiere stets zugute. 1982 wurde im WMHalbfina­le Frankreich besiegt, auf dem Weg zum WM-Triumph 1990 bekamen auch die Engländer im Halbfinale die Nervenstär­ke der DFB-Kicker zu spüren. Damals prägte Englands früherer Topstürmer Gary Lineker den legendären Spruch: „Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball hinterher, und am Ende gewinnen immer die Deutschen.“

Mentale Stärke ist gefragt

So war es auch auf dem Weg zum EMTriumph 1996, als erneut die Engländer im Halbfinale vom Punkt besiegt wurden. Beim WM-Sommermärc­hen 2006 wurde Argentinie­n im Viertelfin­ale verabschie­det, zehn Jahre später bei der EM dann Italien. „Wir sind mental stark. Und wir haben immer einen starken Torhüter auf der Linie“, begründete Torwarttra­iner Andreas Köpke einmal die Erfolgsser­ie. In Russland findet sie definitiv keine Fortsetzun­g.

Wald, der noch mit 75 Jahren als Schiedsric­hter auf dem Platz stand, genoss die vielen Penalty-Lotterien bei Welt- und Europameis­terschafte­n sowie in Europacup-Wettbewerb­en bis zu seinem Tod. „Ich hatte immer das Gefühl, dass ich recht hatte“, sagte er einst. In seinem Wohnort Penzberg hat man ihm dafür eine besondere Ehre zu Teil werden lassen: Seit 2013 heißt die Straße hin zum Stadion „Karl-Wald-Straße“.

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ARCHIVFOTO: DPA Karl Wald

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