Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ball rollt ohne Worte - aber nur mit Anstoß
Benefizaktion des FC Wacker in Biberach macht auf Kinder mit Hörproblemen aufmerksam
BIBERACH - Learning by doing – Lernen durch das Tun: Fehlen den einen die Worte und den anderen die Fähigkeit sich mit den Händen auszudrücken, ist dieses Prinzip die wohl einfachste Lösung, um den Ball ins Rollen zu bringen. Das hat die Benefizaktion des FC Wacker am Samstag in Biberach gezeigt: Kinder mit Hörproblemen oder gar Taubheit trafen auf andere Altersgenossen, um gemeinsam das DFB-Fußballabzeichen abzulegen.
Knapp 130 Kinder wuseln auf dem Fußballplatz herum. Die einen springen sich auf einer Hüpfburg warm, andere spielen Fangen oder klammern sich noch etwas verschüchtert an Mama oder Papa. Doch dann gehts an die Stationen. Dribbelkünstler, Kurzpassspiel-Ass, Kopfballkönig, Flankengeber, Elferkönig: Je nachdem, wie viel Punkte die Kinder erreichen, erhalten sie am Ende das Abzeichen in Bronze, Silber oder Gold. Der Abschluss des Tags: Ein Duell zwischen der ersten Mannschaft des FC Wacker und dem SSV Ulm.
„Beim Fußball kann man schnell Berührungsängste abbauen. Die Regeln sind bekannt oder lassen sich auch ohne Worte vormachen“, sagt Oliver Dreher, Trainer beim FC Wacker und Organisator der Aktion. Eine Dauerlösung ist das für den Verein allerdings nicht. Die Kommunikationsbarriere müsse abgebaut werden, sagt Dreher. Und das nicht nur auf dem Spielfeld: 1100 Euro sind am Samstag beim Essen- und Getränkeverkauf zusammengekommen. Der FC Wacker legt noch 400 oben drauf. Das Geld fließt zur einen Hälfte in eine Sprachschule, zum anderen soll damit ein Gebärdenlehrer an der Grundschule in Ringschnait finanziert werden.
Letztlich gehe es aber nicht nur um die Kinder. Auch die Eltern müssten mitziehen, sagt Stefan Reich, Jugendleiter
des Vereins. Bisher habe er noch keine Berührungspunkte mit hörgeschädigten Kindern gehabt: „Ich persönlich kann auch keine Gebärden.“Warum betroffene Eltern teils zurückschrecken und ihr Kind nicht im Verein anmelden, kann sich Reich nicht erklären. Für Nadine Fechter ist die Antwort zwar nicht nachvollziehbar, aber schnell gefunden: „Das, was man nicht kennt, macht Angst.“Fechters Sohn Makaio (6) spielt beim FC Wacker in derselben Mannschaft wie Mika, der taub ist (die SZ berichtete). „Der Junge ist voll integriert und wurde ganz normal aufgenommen.“Ängste seien unbegründet.
Gebärden immer an zweiter Stelle
Bisher sei das Angebot zur Vernetzung zu klein und Gehörlose blieben oftmals unter sich, bedauert Frank Dauer. Er ist Vater eines vierjährigen tauben Sohnes. Zu wenig Hörende
wüssten über das Handicap Bescheid: „Nach der Diagnose versuchen es Eltern oft mit einem Hörgerät oder Cochlea-Implantaten.“Gebärden kämen häufig erst dann infrage, wenn all dies nicht helfe. Dabei könne man gar nicht früh genug damit anfangen: „Das ist für alle ein Gewinn. Die einen erwerben eine neue Sprache, die anderen soziale Kontakte und Freundschaften.“
Anna (10) hat das Hörgerät geholfen. Sie kommt gut klar damit. Die Familie kommt aus Fischbach und habe eigentlich keinen Bezug zu Biberach. Warum sie zur Benefizaktion gekommen ist? „Wir sind auf der Suche nach einem Fußballverein. Meine Tochter soll sich nicht alleine fühlen und Spaß haben“, erklärt Annas Mutter. „In der Pause spielen alle immer Fußball, deswegen möchte ich in einen Verein.“Außen vor sei sie auf dem Pausenhof zwar nicht, sie spiele gerne in der Abwehr, wolle sich aber
verbessern. Bei der ersten Station „Dribbelkünstler“marschiert sie ohne Probleme durch: „Super gemacht, super Zeit“, lobt Stefan Reich.
Den Kindern, die auf Gebärden angewiesen sind, steht Dolmetscherin Dunja Dietl zur Seite. Jeden einzelnen Wortfetzen, der auf dem Platz fällt, kann sie nicht übersetzen. „Ich übersetze das Wesentliche, also zum Beispiel Anweisungen der Trainer. Und natürlich Emotionen.“Das sei wichtig für die Teilhabe an einem Ereignis. Während eines Fußballspiels seien Dolmetscher weniger gefragt: „Sport ist Sport. Das ist ein Selbstläufer. Aber am Anfang, wenn ein Kind gerade frisch im Verein ist, muss eigentlich schon ständig ein Dolmetscher dabei sein.“Das sei zum einen für grundlegende Regeln wichtig, zum anderen für soziale Interaktion. Ganz ohne Starthilfe kommt der Ball dann eben doch nicht ins Rollen.