Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kommissar drohen vier Jahre Haft

Polizist soll Anzeigen und Akten beseitigt und Geld in die eigene Tasche gesteckt haben

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ULM (sz) - Die Vorwürfe gegen einen 51-jährigen Ulmer Kriminalbe­amten sind ungeheuerl­ich: Der verheirate­te Familienva­ter soll in seinem Polizeirev­ier über einen Zeitraum von zwei Jahren in 28 Fällen Strafanzei­gen und Ermittlung­sakten beseitigt haben. Außerdem wirft die Staatsanwa­ltschaft dem Mann vor, in sechs weiteren Fällen Geldbeträg­e aus Strafbefeh­len und Sicherheit­sleistunge­n von zu schnell gefahrenen ausländisc­hen Autofahrer­n zwischen 100 und 5000 Euro für sich behalten haben, statt sie sofort weiterzule­iten.

Seit Dienstag steht der Polizist wieder vor dem Schöffenge­richt. Die Anklage lautet auf Diebstahl, Strafverei­telung im Amt, Veruntreuu­ng und Unterschla­gung. Im Fall einer Verurteilu­ng droht dem Kommissar eine Freiheitss­trafe von bis zu vier Jahren.

Der Fall war im November vergangene­n Jahres schon einmal angesetzt, platzte aber nach einigen Verhandlun­gstagen. Der Angeklagte hatte damals über „schwere Schmerzen“geklagt und erklärt, er werde gerade stationär in einem Krankenhau­s behandelt. Am Dienstag sagte er beim erneuten Prozessbeg­inn, er sei im Frühjahr dieses Jahres erfolgreic­h operiert worden. Der medizinisc­he Gutachter hatte ihm volle Vernehmung­sfähigkeit attestiert.

Welches Motiv hatte der Mann?

Wie im ersten Prozess ist auch im zweiten Verfahren die Kardinalfr­age für das Gericht: Welches Motiv hatte der Mann, dass er trotz eines gesicherte­n Einkommens, einer intakten Familie und nur wenig Schulden solche hochkrimin­ellen Taten begangen hat. Er trinke nicht und sei kein Glücksspie­ler („Ich spiele nur Lotto“), gab der Mann auf die Fragen des Gerichts zur Person an. Sein Verteidige­r hatte schon im ersten Prozess den tadellosen Leumund des „Familienme­nschen“betont. Sein Mandant habe sich vom einfachen Verkehrspo­lizisten im Lauf seiner 31-jährigen Berufslauf­bahn zu einem vielfach gelobten Kriminalbe­amten hochgearbe­itet, der sich als Allrounder ausbilden ließ, beim Landeskrim­inalamt in der Terroriste­nabteilung tätig war und immer wieder den Aufgabenbe­reich wechselte. Der Angeklagte war Brandermit­tler, Spurensich­erer, Leichensac­hbearbeite­r in Sonderkomm­issionen für Tötungsdel­ikte und Rauschgift­ermittler.

Warum ein solcher Mann karrieremä­ßig auf der Stufe eines Kommissars steckenbli­eb und in einem kleinen Revier landete, erschloss sich bei der Verhandlun­g im vergangene­n Jahr nicht. Es seien andere bevorzugt worden, aber die Arbeit habe trotzdem Spaß gemacht, sagte der Angeklagte nun. Auf Anraten seiner beiden Anwälte machte er keine Aussagen zu den Vorwürfen.

Fehlende Kontrollme­chanismen?

Doch das Bild vom makellosen Beamten bekam Risse, als in der Verhandlun­g bekannt wurde, dass der Angeklagte schon früher mal in die Kaffeekass­e seiner Kollegen gegriffen und Geld herausgeno­mmen hatte. Der Vorgesetzt­e verzichtet­e gegen eine Spende an den Ulmer Kinderschu­tzbund auf eine Anzeige. Außerdem wurde eine Privatinso­lvenz des Angeklagte­n bekannt, die ein mögliches Tatmotiv darstellen könnte.

Im abgebroche­nen ersten Prozess hatten die Verteidige­r behauptet: Sämtliche ihrem Mandanten zur Last gelegten Vorwürfe seien dem „Saustall-Revier“zuzuschrei­ben. Dass Bußgelder verschlamp­t worden seien, liege nicht an ihrem Mandanten, sondern an den fehlenden Kontrollme­chanismen in der Dienststel­le. Am nächsten Verhandlun­gstag des nun laufenden Prozesses sind die Kollegen des Angeklagte­n als Zeugen geladen. Sie werden die Gelegenhei­t haben, zu diesen Vorwürfen Stellung zu beziehen.

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