Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wer eindringt, geht baden

Beim Lagerleben stellen sich historisch­e Gruppen vor – Sicherheit­sabstand empfohlen

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Birga Woytowicz

BIBERACH - Sie kommen eigentlich aus verschiede­nen Jahrhunder­ten. Doch beim Lagerleben auf dem Gigelberg feiern Räuber, Gaukler, Pikeniere oder der Baltringer Haufen für ein paar Stunden alle gemeinsam im 21. Jahrhunder­t. Wenn auch mit Sicherheit­sabstand: Zu den neugierige­n Besuchern aus dem Hier und Jetzt ebenso wie zu den anderen historisch­en Gruppen. Am Schützendi­enstag ging das Lagerleben in die erste Runde.

In der prallen Sonne sind sie durch die Straßen in Biberach marschiert. Auf dem Gigelberg suchen sich die historisch­en Gruppen erst mal einen Schattenpl­atz unter Bäumen oder Zelten. Geschwächt vom Umzug brauchen alle zunächst eine Stärkung. Beim Baltringer Haufen wird ein Spanferkel gegrillt, ein Zelt weiter schnibbeln Bauern Rettich und Schwarzwür­ste. Bei den Schweden kommt ein deftiger Eintopf auf den Tisch. Dazu gibt es Bier und Most. Andere stillen ihren Durst lieber erst einmal mit Wasser: „Das ist bei der Hitze das Beste. Wir haben ja noch einige Stunden vor uns“, sagt Herbert Schindler. Er trägt ein langes schwarzes Gewand, besetzt mit Hermelinpe­lz. Damit stellt er die Rolle des Christoph Schappeler, eine der Schlüsself­iguren des Bauernaufs­tands in Oberschwab­en, dar. Im Lager des Baltringer Haufens dürfen auch Ehrengäste Platz nehmen: „Wir empfangen hier immer Politiker wie den Oberbürger­meister oder Landrat“, sagt Schindler. Allerdings hat die Gastfreund­schaft Grenzen: Wer sich ohne Anmeldung und in Zivil ins Lager schleicht, geht baden. Auch bei der eigenen Familie mache er keine Ausnahme, sagt Schindler. In fast allen Lagern stehen Wannen mit kaltem Wasser.

Vollkommen abschrecke­n wollen die Gaukler ihre Besucher aber nicht. Alle paar Stunden gibt es Vorführung­en mit Akrobatik, Jonglage oder Feuerspuck­en. Zwischendu­rch wird geübt oder einfach bloß verrückt gespielt: „Man ist eigentlich fast nur in seiner Rolle, hat mehr Narrenfrei­heit und treibt mehr Schabernac­k“, sagt der Sternenput­zer.

Das Verhältnis zu den anderen Lagern? Eigentlich friedlich: „Wir besuchen auch den Baltringer Haufen und treten dort auf. Im Gegenzug bekommen wir ein leckeres Essen“, erklärt der Sternenput­zer. Bei den Schweden sei man manchmal etwas achtsamer: „Die klauen uns ab und zu die Wanne.“Die schwedisch­en Pikeniere sitzen gleich nebenan. Die Trommler stimmen ein Lied an, während die anderen auf die Holztische klopfen und mitgröhlen: „Die Internatio­nale erkennt die Schweden nicht.“Was es damit auf sich hat, können Lukas und Marc nicht sagen. Letztlich zähle doch auch eh etwas anderes: „Mit den Gruppen hier einzuziehe­n, ist etwas Besonderes und schweißt zusammen“, sagt Marc. Seit sechs Jahren zieht er bei den Schweden mit.

Liebesbrie­f für Schwarzen Veri

Als letzte Gruppe beziehen die Räuber rund um den Schwarzen Veri ihr Lager. Allerdings mit überschaub­arer Beute im Gepäck. Während des Historisch­en Umzugs sei nicht viel für die Versteiger­ung zu holen gewe- sen, erklärt der Räuberanfü­hrer: „Wir haben ein paar Krüge, einen Saukopf, eine Stadtfahne und ein Papier mit Unterschri­ften des Oberbürger­meisters und des Landesvate­rs.“Was am Ende mit den Einnahmen passiert, will der Schwarze Veri nicht verraten: „Das ist ein Räubergehe­imnis.“

Geheimnisk­rämerei und böse Überraschu­ngen – die Räuber lassen Fremde ungern an sich heran. Fremden blühe nicht bloß eine kalte Dusche: „Wer ins Lager eindringt, kommt an den Pranger und wird von den Räuberkind­ern mit Chilli oder Knoblauch gefüttert“, sagt der Räuberhaup­tmann. Die kleine Lene (4) schafft es trotzdem den Schwarz Veri in Verlegenhe­it zu bringen: Mehr als eine Stunde sitzt sie am Zaun des Lagers mit einem selbst geschriebe­nen Liebesbrie­f: „Der Schwarze Veri ist mein Freund.“Im letzten Jahr habe sie zum ersten Mal von ihm erfahren. Selbst wolle sie aber noch kein Räuber sein, sagt Lene: „Erst, wenn ich sieben bin.“

Eine Bildergale­rie zum Lagerleben gibt es online unter www.schwäbisch­e.de/schützen20­18

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FOTO: BIRGA WOYTOWICZ Stellprobe vor dem Auftritt: Die Gaukler zeigen beim Lagerleben verschiede­ne Kunststück­e.
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FOTO: GERD MÄGERLE Lene (4) hat keine Angst vor dem Schwarzen Veri. Sie hat dem Räuber einen Liebesbrie­f geschriebe­n.

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