Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ein 5500 Jahre alter Federseesteg?
Ausgräber legen in Bad Buchau spektakuläre Funde am früheren Federseeufer frei
BAD BUCHAU - „Wieder einmal denkt man ein ,Schwäbisches Troja‘“, so Bürgermeister Peter Diesch zu den Ergebnissen der Rettungsgrabung im Vorfeld der Erschließungsarbeiten für das Baugebiet „Am Möwenweg“. Eine mächtige Pfahlstruktur mit rund 800 gut erhaltenen Hölzern, vermutlich von einem über 5500 Jahre alten prähistorischen Überweg stammend, wurde hier freigelegt.
Bereits im vergangenen Herbst hatte der technische Grabungsleiter Wolfgang Hohl in dem Neubaugebiet Proben mit dem Bagger vorgenommen und dabei Überreste einer kleinen Fischfanganlage entdeckt. Anfang Mai wurden systematisch Gräben gezogen und erste Pfähle direkt neben der Wohnbebauung entdeckt. Die Mitarbeiter des Landesamts für Denkmalpflege – Fachgebiet Feuchtbodenarchäologie – haben inzwischen eine schmale, lange Holzstruktur auf bisher 80 Metern Länge bis zur südlichen Grenze des Baugebiets ausgegraben und untersucht. Die längs liegenden Hölzer bildeten für die steinzeitlichen Menschen möglicherweise die Lauffläche auf einem abgehobenen Steg über das Wasser oder das Moor. Er könnte aber auch eine Zuwegung zu einer Anlegestelle von Einbäumen oder gar einer bisher unbekannten Siedlung sein.
Heimspiel für den Grabungsleiter
Für Grabungsleiter Hohl ist die Weiterführung des Stegs sehr spannend, es ist wieder eines seiner vielen „Heimspiele“– vor 30 Jahren schon hatte der Buchauer einen Ferienjob bei den damaligen archäologischen Ausgräbern. Die maroden Pfähle sind später umgekippt und auf der Mudde-Ablagerung liegend exzellent konserviert worden. Bisher war eine Steg- oder Weganlage aus dieser Zeit am Federsee noch nicht nachgewiesen. Bauwerke aus der Jungsteinzeit sind in solch guter Erhaltung äußerst selten.
Ein ähnlicher Fund wurde in einem Sumpfgebiet im Südwesten Englands entdeckt, wie Dr. Julia Goldhammer vom Landesamt für Denkmalpflege erklärt. Bei der Erläuterung von Funden und Befunden zeigt sie eine Sichel aus bayrischem Plattensilex, die der Pfyn-AltheimerKultur Oberschwaben (3900–3500 v. Chr.) zugeordnet wird, ebenso Knochenspitzen und Keramikscherben aus dem Umfeld. Die Untersuchungen von Eichenhölzern mittels Dendrochronologie und C-14-Datierung ergaben ein Schlagdatum zwischen 3636 bis 3521 vor Christus. Menschliche Besiedlungen der Pfyn-Altheimer Zeit sind bei einem Dorf mit 20 bis 30 Häusern in Seekirch/Ödenahlen im nördlichen Federseeried nachgewiesen. Hinweise auf diese Kulturgruppe gibt es auch bei den Siedlungen Riedschachen III bei Steinhausen, beim Fundplatz Bachwiesen II in Bad Buchau und aus dem Taubried Bad Buchau/Henauhof. Die Dörfer damals waren in uferparallelen Häuserreihen angeordnet und in manchen Fällen von Palisaden umgeben. Die Hölzer des Überwegs am heutigen Möwenweg belegen die Zimmermannskunst vor über 5500 Jahren, nach bisherigem Kenntnisstand wurden noch Steinbeile benutzt. Doch es gibt Nachweise, dass die Ackerbauern und Viehhalter der damaligen Zeit bereits auch Kupfer für die Herstellung von Beil- und Dolchklingen verarbeiteten.
Die Rettungsgrabung am Möwenweg ist ein wichtiger Puzzlestein in der jungsteinzeitlichen Federsee-Archäologie. Finanziert wird die Dokumentation des außergewöhnlichen Befunds von der Stadt Bad Buchau und dem Landesamt für Denkmalpflege. Nach Abschluss der archäologischen Sicherung wird das Baugelände für die Erschließung freigegeben. Dr. Ralf Baumeister, Leiter des Federseemuseums Bad Buchau, kündigte eine Präsentation der Grabungsstellen „Neuweiher“und „Am Möwenweg“in Kürze im Museum an.
Am 30. Juli um 16.30 Uhr findet für die Öffentlichkeit eine archäologische Führung am Möwenweg statt. Die Besucher können das Grabungsfeld des prähistorischen hölzernen Überwegs besichtigen.