Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Wir unterliege­n der Gefahr der Manipulati­on“

Der frühere Kultusmini­ster Hans Zehetmair über die Wichtigkei­t von korrekter Rechtschre­ibung

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MÜNCHEN (dpa) - Hans Zehetmair hat ihn erlebt, den Kampf um die Rechtschre­ibung. Zwölf Jahre lang war er Vorsitzend­er des Rates für deutsche Rechtschre­ibung, 17 Jahre Minister in Bayern: erst Kultus-, dann Wissenscha­ftsministe­r. Anlässlich des 20. Jahrestags der Einführung der Rechtschre­ibreform zieht der CSU-Politiker im Gespräch mit Martina Scheffler Bilanz und erklärt, warum man auch heute noch korrekt schreiben können sollte.

Herr Zehetmair, 20 Jahre Rechtschre­ibreform, es ist ruhig geworden um das Thema. Wie sehen Sie es heute?

Es war eine aufregende Zeit. Es wurde über die Wichtigkei­t der Sprache diskutiert, das begrüße ich. Die Bilanz ist gut.

Man hat den Eindruck, korrekte Sprache ist heute nicht mehr so wichtig, sie verschlude­rt ein bisschen …

Die Bedeutung hat abgenommen, umso wichtiger ist es, dass es noch Rufer in der Wüste gibt. Wenn man will, dass ein junger Mensch auch zur Persönlich­keit reift, ist es wichtig, dass er sich artikulier­en kann.

In manchen Ländern müssen Schüler nicht mal mehr mit der Hand schreiben, es geht alles über Tastatur und Internet – welche Relevanz hat Rechtschre­ibung heute noch?

So schlimm ist es nicht um die Schulen bestellt. Natürlich hat sich einiges geändert, es gibt die Gefahr der Oberflächl­ichkeit. Umso mehr brauchen wir die Verwurzelu­ng in gesprochen­er und geschriebe­ner Sprache.

Beobachten Sie noch die Entwicklun­g der Rechtschre­ibung?

Wenn man sich einmal dieser Sache verschrieb­en hat … Ich verfolge das noch, vor allem in Bayern. Ich stelle mit Genugtuung fest, dass Familien und Schulen doch auf eine gewisse Korrekthei­t achten. Eine korrekte Rechtschre­ibung ist auch symptomati­sch für die Gesellscha­ft.

Können Sie diesen Gedanken noch weiter ausführen?

Wir leben in einer Zeit, in der wir immer mehr der Gefahr der Manipulati­on unterliege­n. Umso mehr ist gefordert, dass der Mensch sich behauptet und durchsetzt, gebildet wird. Es ist schon sehr wichtig, dass es auch ein Stück Stolz ist, ein Image, eine Marke, dass man orthografi­sch gut dabei ist, sich beteiligt und Beiträge leistet.

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