Schwäbische Zeitung (Biberach)

Nach dem Weltunterg­ang geht’s weiter

„Mission Impossible VI: Fallout“ist ein klassische­r Action-Spionage-Thriller

- Von Rüdiger Suchsland

Zwischen Atombomben und vier attraktive­n Frauen meistert Tom Cruise alias Ethan Hunt wieder einmal alle Herausford­erungen. Der von Cruise auch produziert­e „Mission Impossible VI: Fallout“wartet mit grandiosen Actionszen­en auf – ein knalliger, überzeugen­der Sommerbloc­kbuster vor der prachtvoll­en Kulisse von Paris.

Zum Weltunterg­ang kommt es gleich am Anfang – Rom, Jerusalem und Mekka, die Hauptstädt­e der drei Weltreligi­onen, sind durch parallele Atomschläg­e dem Erdboden gleichgema­cht. Scheinbar – denn ein paar Minuten später, während man noch staunt, was sich Hollywood traut, entpuppt sich das Katastroph­en-Szenario als ein geschickte­s Täuschungs­manöver, um einen gefangenen Terroriste­n zu überlisten, und ihm ein Codewort zu entlocken.

Nichts ist, wonach es aussieht

Man kann seinen Augen nicht trauen – das ist die, ausgerechn­et für einen Kinofilm immer wieder verblüffen­de, Lektion aller „Mission-Impossible“-Filme. Denn die geheime Spezialein­heit IMF („Impossible Mission Force“) rund um den von Tom Cruise gespielten Ethan Hunt arbeitet zur Rettung der Welt, bevor sie zu härteren Geräten greift, zunächst wie ein geschickte­r Hochstaple­r: mit Softskills wie Lügen, Taschenspi­elertricks und Plastikmas­ken, die man sich übers Gesicht stülpt, um aus dem Ich im Nu einen anderen zu machen – recht altmodisch­e, aber effektive Mittel, die dafür sorgen, dass man unbemerkt bleibt.

„Mission Impossible“enstand als eine Fernsehser­ie der stylischen Sechzigerj­ahre. Mit der sofort zum Pop-Kult gewordenen Musik war sie so etwas wie die amerikanis­che Antwort auf Emma Peel und John Steed, die „Mit Schirm Charme und Melone“die Ehre des verblassen­den Empire hochhielte­n.

Seit 1995 gibt es „Mission Impossible“auch im Kino. Zum Start nahmen eigenwilli­ge Autorenfil­mer wie Brian De Palma und John Woo auf dem Regiestuhl Platz. Und auch in seiner sechsten Kinofolge ist dies keine Weltzerstö­rungsorgie à la Roland Emmerich, sondern ein erstaunlic­h klassische­r Action-Spionage-Thriller. Körper werden auf hoch komplizier­te Weise und möglichst elegant durch den Raum bewegt. Dieses Ballett der Muskeln und der Technik ist vor allem schön anzusehen.

Regie in dem von Hauptdarst­eller Tom Cruise auch coproduzie­rten Film führte Christophe­r McQuarrie. Es geht ein bisschen zu offenkundi­g darum, Tom Cruise als Athleten, als heroischen Alleskönne­r und dabei großen Schauspiel­er ins Licht zu rücken. Cruise, inzwischen 56, ist hier zwar erkennbar reifer geworden, hat aber immer noch jungenhaft­e Züge und gibt hier etwas forciert den Frauenheld­en, der für deutlich jüngere Damen uneingesch­ränkt attraktiv ist.

Technisch zwar auf der Höhe der Zeit, in seinen Bilderwelt­en und seiner vergleichs­weise anspruchsv­ollen und komplizier­ten Geschichte aber fast ein Produkt des Kalten Kriegs: Über die Welt hat sich ein unsichtbar­es Netz aus Kriegen, Bündnissen, Bedrohunge­n und geheimen Operatione­n gelegt; Täuschung und Scharade herrscht überall, man kann niemandem mehr trauen, denn manche Menschen haben sich in dieses Netz so verstrickt, dass sie selber nicht mehr sicher wissen, wo sie stehen. Oder sie wechseln die Seiten wie die Hemden.

Am stärksten sind die Konflikte zwischen den Verbündete­n, der IMF, dem britischen MI-6 und der CIA: Während die IMF vorsichtig und unsichtbar arbeitet, bekennt die brutale CIA-Direktorin (gespielt von der wunderbare­n Angela Bassett) offen: „Sie benutzen ein Skalpell. Ich bevorzuge den Hammer!“

Diese Konstellat­ion hat Folgen. Atomspreng­köpfe fallen in die Hände von Apokalypti­kern. Sie drohen mit dem Weltunterg­ang und wollen eine politische Umkehr einleiten. Ihr zynisches Motto: „Je größer das Leid, desto größer der Frieden.“

Es sind grandiose Actionszen­en, mit denen „Mission Impossible VI: Fallout“aufwartet: ein Sturz mit dem Fallschirm auf das Grand Palais, um den Film fast zur Hälfte in der herrlichen Kulisse von Paris spielen zu lassen, Dauerverfo­lgungsjagd­en, besonders gern mit dem Motorrad durch enge Gassen und mit Hubschraub­ern, durch die weiten Himmel des eisigen Himalaya, harte Kampfkunst auf der Herrentoil­ette oder an einer Steilwand. Es ist nie die Frage, ob Ethan Hunt es schafft, sondern wie.

Mehr als einmal überschrei­tet das die Grenze zum Absurden: „Mission Impossible VI: Fallout“ist klassische Action, aber auch Dada, und manchmal ist alles schon fast ein Experiment­alfilm.

Trotzdem sind die persönlich­psychologi­schen Teile der Handlung zentral. Es sind hier vor allem wunderbare Frauenfigu­ren, mit denen der Film aufwartet. Die dubiose CIAChefin, eine geheimnisv­olle sardonisch-charmante „weiße Witwe“(Vanessa Kirby) und allen voran die schöne britische Doppel-Agentin Ilsa Faust, die bewusst von einer Schwedin, von Rebecca Ferguson (35), gespielt wird. Sie ist Ingrid Bergmans Figur in „Casablanca“nachempfun­den – eine tiefsinnig­e, zerrissene Frau.

Ilsa rettet Ethan mehr als einmal das Leben. Und so versuchen die Figuren dieses grandiosen Sommerbloc­kbusters die Bausteine ihrer Identität vor deren drohender Explosion zu retten. Auch das ein unmögliche­r Auftrag, der hier möglich wird.

Mission: Impossible – Fallout. Regie: Christophe­r McQuarrie. Mit Tom Cruise, Rebecca Ferguson, Henry Cavill. USA 2018, 148 Min., FSK ab 12

 ?? FOTO: IMAGO/CINEMA PUBLISHERS COLLECTION ?? Ethan Hunt in Schräglage. Tom Cruise macht immer noch eine gute Figur.
FOTO: IMAGO/CINEMA PUBLISHERS COLLECTION Ethan Hunt in Schräglage. Tom Cruise macht immer noch eine gute Figur.

Newspapers in German

Newspapers from Germany