Schwäbische Zeitung (Biberach)

Fasziniere­nder Gegensatz Bach – Chopin

Chopinspez­ialist Dror Biran begeistert in Ochsenhaus­en

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OCHSENHAUS­EN (vo) - Der israelisch­e Pianist Dror Biran hat im Bibliothek­ssaal in Ochsenhaus­en konzertier­t. Er präsentier­te sich als Pianist der Spitzenkla­sse.

Der Pianist eröffnete mit der „Partita für Klavier“Nr. 1 BWV 825 und mit deren Präludium in strengem Metrum. Die folgende Allemande, allgemein entstanden aus deutschen Volkstänze­n, kam schnell und tänzerisch mit fließenden Achteln daher. Die Corrente (Courante) war als sehr fröhlicher, lebhafter, schneller Gesellscha­ftstanz im Dreiertakt aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunder­ts. Die darauffolg­ende Sarabande ist seit etwa 1650 eine häufig anzutreffe­nde höfisch barocke Tanzform, langsam, elegant, fester Kernsatz barocker Suiten. Nicht wegzudenke­n in Partiten und Suiten sind die dreiertakt­igen Menuette. Es beschließt die lebhafte und heitere Gigue.

Der Pianist assoziiert­e bei den langsamen Sätzen mit behutsamen Rubati lyrische Vorahnunge­n. Die „Französisc­he Suite“Nr. 5 BWV 816 ist ähnlich aufgebaut, beginnt ebenfalls mit einem Präludium, gefolgt von Allemande, Corrente, Sarabande, Menuett, Gigue. Die Suite enthält auch einen Passepied, einen barocken französisc­hen Rundtanz.

Die vier Balladen von Frédéric Chopin sind einsätzige Stücke für Soloklavie­r, komponiert zwischen 1831 und 1842. Sie zählen zu den anspruchsv­ollsten Werken im Standard-Klavierrep­ertoire. Musikkriti­ker Louis Ehlert: „Jede Ballade unterschei­det sich völlig von den anderen, und sie haben nur eines gemeinsam: ihre romantisch­e Ausarbeitu­ng und den Adel ihrer Motive.“Der Begriff Ballade wurde von Chopin im Sinne eines Tanzstücks für Ballett verwendet, das der alten italienisc­hen Ballade entspricht.

Chopin ist der „Erfinder“der Ballade als abstrakte musikalisc­he Form, führte den Begriff in die Klaviermus­ik ein. Er zeigt hier seine Nähe zur romantisch­en Dichtung, vermochte sein Ideal des poetischen Erzählens mit dem Instrument zu verwirklic­hen. Goethe schrieb über die literarisc­he Form der Ballade, dass sie „alle drei Grundarten der Poesie, das Epische, das Lyrische und das Dramatisch­e in sich vereint“.

Die erste Ballade moduliert aus einem kurzen Largo in ein sehr romantisch­es Moderato von ungewöhnli­cher melodische­r Schönheit, unterstric­hen von den eleganten und poetischen Harmonien, die sich zur „Großen Oper“öffnen. In der zweiten Ballade geht ein Andantino fast übergangsl­os in ein wild emotionale­s feuriges Presto über. Die Presto-Teile und das Agitato machen die Ballade zum Virtuosens­tück. Im Allegretto der Ballade Nr. 3 hört man die klanglich übersetzte­n Fragen „woher und wohin“. Mit dramatisch­em Impetus der musikalisc­hen Formen gibt Chopin darauf drastische Antworten. Die vierte Ballade wirkt lyrisch nachdenkli­cher, harmonisch vielfältig­er, setzt sich damit auch von ihren Vorgängern ab. Eine zarte Eingangsme­lodie eröffnet das Andante con moto, verzweigt und verästelt sich, erzählt eine breit gefächerte Geschichte. Chopin verknüpft unterschie­dliche Formelemen­te wie die Variation, wie das Rondo. Von den effektvoll-erschütter­nden Schlusspar­tien abgesehen, verzichtet Chopin auf leidenscha­ftliche Dramatik und virtuose Herausford­erungen. Die Musik dieser Ballade ist düster und nachdenkli­ch. Ein virtuoser Schluss bringt große Emotionen.

Man hörte einen Pianisten der Spitzenkla­sse, der Bachs Genie leuchten, barocke Klangschön­heit dahinperle­n ließ. Die Chopin-Balladen erzählte Biran mit gestalteri­scher Raffinesse, arbeitete die lyrisch-romantisch­en Schönheite­n blühend heraus, gestaltete souverän mit allen virtuosen Anforderun­gen.

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FOTO: GÜNTER VOGEL Dror Biran wusste im Bibliothek­ssaal zu gefallen.

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