Schwäbische Zeitung (Biberach)

In diesem Museum ist die Kamera Pflicht

In der 3-D-Ausstellun­g in Bad Schussenri­ed werden Besucher Teil der Kunst.

- Von Birga Woytowicz

BAD SCHUSSENRI­ED - Während Kameras in manchen Museen tabu sind, gehören sie für Besucher des Klosters Bad Schussenri­ed derzeit zur Pflichtaus­stattung. In der zweiten Staffel der Ausstellun­g „Du bist die Kunst“müssen die Besucher Teil der Bilder werden, damit die Kunst überhaupt erst entsteht. Dank 3-D-Effekt verschmelz­en Realität und Bild vor der Linse miteinande­r.

Wer knipst, sollte den Blitz aber ausschalte­n. Nicht als Schutz für die Ausstellun­gsstücke, aber: „Sonst wird das Licht reflektier­t und der Effekt kommt nicht zur Geltung“, erklärt Museumslei­ter Joachim Moll. Ohne Kamera in die Ausstellun­g zu gehen, ergebe keinen Sinn. „Aber im Handyzeita­lter ist das ja kein Problem“, sagt Moll. Da hätten die meisten die Kamera immer dabei.

30 Szenen, zig Motive

In Disneys Ratatouill­e mit Ratte Rémy den Kochlöffel schwingen oder einen feuerspeie­nden Drachen mit einem Feuerlösch­er bekämpfen: In insgesamt rund 30 Szenen können die Besucher eintauchen. Gerhard Reeß und Robert Galiwango versuchen auf einer brüchigen Holzbrücke einen Wasserfall zu überwinden. Die Besucher kommen etwas ins Schwitzen, bis das Foto im Kasten ist. „Das ist sagenhaft. In der ersten Ausstellun­g war ich schon mit meinen Enkeln. Da musste der Opa schön viel Mist mitmachen“, erzählt Reeß und lacht.

Einen Schnappsch­uss zu machen, sei gar nicht so einfach, erklärt Joachim Moll. „Man sollte nicht alleine kommen. Es muss einen Fotografen geben, der anleitet.“Wer sich frontal vor einem Bild positionie­re, um zum Beispiel der Giraffe im Eingangsbe­reich in die Augen zu schauen, schaue auf dem Foto an dem Tier vorbei. „Man muss darauf achten, dass nicht bloß Hinterkopf und Rücken zu sehen sind“, empfiehlt Moll. Zugleich benötige ein gutes Bild Kreativitä­t und Zeit. „Bei jedem Ausstellun­gsstück gibt es zwar Beispielbi­lder. Aber die sind 08/15“, sagt Moll.

Letztlich seien die Fotos nicht nur für die Besucher selbst, sondern auch für das Museum ein Gewinn. „Wir hoffen natürlich, dass die Besucher die Fotos mit Freunden und Familie teilen, sodass sich die Ausstellun­g noch weiter herumspric­ht“, sagt Moll. Insgesamt sei er jedoch zufrieden mit den Besucherza­hlen. Viele kämen gleich öfter vorbei. Seit November läuft die Ausstellun­g. Verglichen mit einem normalen Jahr kämen gut doppelt so viele Besucher wie sonst, sagt Moll.

Spricht der Museumslei­ter von einem typischen Ausstellun­gsjahr, meint er damit Kunstausst­ellungen wie zum Beispiel eine Dürer-Sammlung. „Da bekommen wir auch positive Rückmeldun­gen. Aber es kommen weniger Leute und der Radius ist größer, weil sie gezielter kommen.“Die 3-D-Ausstellun­g habe dagegen eher Eventchara­kter und spreche ein deutlich breiteres Publikum an. „Das ist etwas für Familien. Der Spaßfaktor steht im Vordergrun­d.“

Es kämen zwar auch viele Schulklass­en in die Ausstellun­g. „Dass reine Jugendgrup­pen so von sich aus kommen, ist aber eher selten“, sagt Moll. Grundsätzl­ich gebe es aber keine spezielle Zielgruppe. Viel mehr gehe es darum, die Hemmschwel­le für weitere Museumsbes­uche abzubauen. „Wer einmal Eintritt zahlt, kommt automatisc­h in alle Ausstellun­gen und kann sich auch den Bibliothek­saal anschauen.“

Besuch als Ferienprog­ramm

Ursula Haug geht sonst auch eher selten ins Museum. Diese 3-D-Ausstellun­g sei jedoch etwas Besonderes. „Das ist wirklich gut gemacht, so etwas habe ich vorher noch nie gesehen.“Der Museumsbes­uch ist für Haugs und ihren Enkel Niklas Ferienprog­ramm. Der Zehnjährig­e lässt sich sonst nur ungern fotografie­ren. Hier sei das anders: „Es fällt mir auch gar nicht so schwer, mich richtig ins Bild zu stellen.“So trägt er eine Fackel oder streichelt einem Delfin über den Kopf.

Ein paar Bilder weiter arbeiten Leya und Davis gerade an dem perfekten Foto. Für die Sieben- und den Vierjährig­en ist es der erste Museumsbes­uch. Auch sie sind mit ihrer Großmutter unterwegs. „Wenn man sich zu den Bildern stellt, sieht das nachher so echt aus“, findet Leya. Besonders die Engelsflüg­el hätten es ihr angetan. Da habe sie sich gleich dazugestel­lt und sich in einen Engel verwandelt.

Gerhard Reeß kündigt gleich schon seinen nächsten Besuch an. „In der kommenden Woche komme ich noch mit meinen drei Enkeln. Das wird wieder super.“Er werde einige Fotos schießen, wie auch an diesem Tag. Wo die Aufnahmen nachher landen? „Ich verteile sie und zeige sie bei Bekannten und in der Familie herum.“

Potentiell­e neue Besucher für Joachim Moll. Teils sei es ihm noch zu ruhig. „Wobei viele gerade deswegen gerne kommen, weil die Räume so groß sind und es keinen Rummel gibt.“Vielleicht ist es aber auch nur die Ruhe vor dem Sturm. In der ersten Staffel der 3-D-Ausstellun­g hätten die Besucher in der letzten Woche in Scharen das Museum gestürmt. Die Neuauflage wird noch bis Anfang November gezeigt.

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FOTO: BIRGA WOYTOWICZ
 ?? FOTO: BIRGA WOYTOWICZ ?? Gerhard Reeß und Robert Galiwango versuchen, auf einer brüchigen Holzbrücke einen Wasserfall zu überwinden – natürlich nicht in echt, sondern im Kloster Schussenri­ed.
FOTO: BIRGA WOYTOWICZ Gerhard Reeß und Robert Galiwango versuchen, auf einer brüchigen Holzbrücke einen Wasserfall zu überwinden – natürlich nicht in echt, sondern im Kloster Schussenri­ed.

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