Schwäbische Zeitung (Biberach)
Leerstand: Wo drückt der Schuh?
Einzelhändler bewerten Leerstand in der Bad Schussenrieder Innenstadt.
BAD SCHUSSENRIED - Der OnlineHandel drückt die Preise, die Stammkundschaft bröckelt, der Umsatz stimmt nicht mehr. Auch in Bad Schussenried ist der Druck auf den Einzelhandel spür- und sichtbar. Der Leerstand ist Dauerthema. Aber er macht nicht allen Einzelhändlern gleich stark zu schaffen. Ob und wie man ihn bekämpfen kann? Darüber scheiden sich die Geister. Ebenso wie über das geplante Einkaufszentrum am Metzgergässle.
In der Buchhandlung Eulenspiegel ist die Welt noch in Ordnung. Sie habe keinen Grund zu klagen, sagt Inhaberin Claudia Blum. An diesem Tag habe sie überpünktlich geöffnet, da schon Kundschaft vor der Tür stand. „Im Vergleich zu anderen Gemeinden geht es uns noch gut.“Man dürfe keine Horrorszenarien herbeibeschwören.
Teils zu kleine Ladenflächen
Auch in der Gesamtsicht sei der Leerstand in Bad Schussenried weder akut noch beängstigend zu beurteilen, sagt Elisabeth Straub, kommissarische Vorsitzende des örtlichen Gewerbe- und Handelsvereins. „Es ist immer schwer, Nachfolger zu finden. Das sind oft nur wenige Quadratmeter.“Kleine Ladenflächen ließen sich nur schwer an den Mann bringen. Insgesamt sei die Stadt aber gut sortiert. Einziges Manko: fehlende Bekleidungsgeschäfte.
Die Branche mache schon einen Unterschied, räumt Straub ein. „Gerade im Bereich Elektro weichen viele auf größere Geschäfte in Ulm oder Biberach aus.“Kunden der Buchhandlung legten dagegen noch mehr Wert auf persönliche Beratung und Service. Nur das Onlinegeschäft, das mache allen zu schaffen.
Wolfgang Schulz, seit 42 Jahren Inhaber der Schussendrogerie, geht sogar einen Schritt weiter: „Die Digitalisierung ist des Einzelhändlers Tod.“Bei der ehemaligen Inhaberin des Wollgeschäfts nebenan seien sogar Tränen geflossen. „Da kamen die Leute mit ihren Handys und wollten ganz bestimmte Muster und Wolle haben“, erzählt Schulz.
Claudia Blum hat zwar Verständnis für Kunden, die lieber eine Internetbestellung aufgeben. Aber: „Nicht Amazon und Co. haben das Rad neu erfunden. Jede Bestellung, die bis sechs bei mir eingeht, ist am nächsten Morgen um halb neun da.“Das sei schon lange üblich im Buchhandel. Internetriesen seien vermutlich nur besser bei der Vermarktung.
Für Rudolf Neff, Inhaber der Neff GmbH, die Haushalts- und Elektrogeräte vertreibt, ist der Zug schon abgefahren. Er wünsche sich eine gemeinsame Plattform, über die alle Schussenrieder ihre Produkte onli- ne vertreiben könnten. „Aber das ist vermutlich schon zu spät.“Die kleinen Geschäfte würden zu wenig wahrgenommen, bedauert er.
Alle Läden leben von ihrer Stammkundschaft. Doch die nehme ab. „Ältere verlieren wir, wenn sie sterben. Und Neukunden zu gewinnen, ist schwer“, sagt Neff. Auch bei Wolfgang Schulz ist die Kundschaft rückläufig. „Als Einzelhändler ist man vor allem auch Auskunftsdatei.“Immer mehr Kunden kämen mit Fragen in seine Drogerie und spülten weniger Geld in die Kasse. Sein Angebot habe er in den vergangenen Jahren eingeschränkt. „Die Leute lesen zum Beispiel immer weniger Zeitung“, beklagt Schulz.
Supermarkt als Konkurrenz
Drogerieartikel kauften Leute seltener bei ihm als in den örtlichen Supermärkten ein. Auch Rudolf Neff sieht in den innerstädtischen Supermärkten eine Konkurrenz: „Lebensmittelhändler bieten verstärkt Haushaltswaren an. Das treibt den Umsatz bei uns nach unten.“Erst wenn das Sortiment im Supermarkt leergefegt sei, kämen die Kunden zu ihm, sagt Neff.
Eine drohende Gefahr sehen Neff und Schulz auch in dem geplanten Einkaufszentrum am Metzgergässle. „Dann fehlt nur noch, dass das Gebäude in der Bahnhofstraße belegt wird, und schon verrecken die anderen“, sagt Wolfgang Schulz. Die Formulierung sei drastisch, aber er stehe zu seiner Meinung. Wechselten kleine Geschäfte ihren Standort, sterbe die Innenstadt weiter aus, sagt auch Rudolf Neff. Claudia Blum widerspricht: „Das Areal liegt direkt in der Stadt. Der Marktplatz ist bei uns zentral, das ist schlau gelöst.“Die Supermärkte brächten zusätzliche Kundschaft und dürften sich nicht außerhalb ansiedeln, sagt Blum. Elisabeth Straub vom Gewerbeund Handelsverein stimmt zu: „Das ist ein Anziehungspunkt. Büroräume und neue Bewohner bringen neue Kundschaft.“
Die Meinungen gehen auch bei der Frage auseinander, wie gut die Arbeit im Gewerbe- und Handelsverein ist. Es komme auf ein gutes Netzwerk an, sagt Claudia Blum. „Wir kennen das Sortiment der anderen und schicken Kunden dorthin.“Zudem zeigten Veranstaltungen wie verkaufsoffene Sonntage oder die Dinnertafel ihre Wirkung. Für Rudolf Neff sind diese Bemühungen aber zu wenig. Gerade im Onlinegeschäft müsse es einen engeren Austausch geben. Elisabeth Straub gesteht: „Es gibt Verbesserungspotenzial.“Sie vermisse jedoch das Gefühl, dass alle an einem Strang ziehen. Letztlich müsse sich jedoch vor allem etwas in den Köpfen der Kunden ändern, um den Leerstand langfristig zu bekämpfen.