Schwäbische Zeitung (Biberach)

Dringend neue Hausärzte gesucht

Ein Drittel der Hausärzte ist über 60 Jahre alt – Zu welchen Bedingunge­n der Nachwuchs aufs Land zieht

- Von Daniel Häfele

Zu welchen Bedingunge­n der Nachwuchs in die Region Biberach zieht.

BIBERACH - Wer● ein körperlich­es oder seelisches Leiden hat, für den ist oftmals der Hausarzt erster Ansprechpa­rtner. Noch sind die Wege für Patienten überwiegen­d kurz, aber Experten warnen: Im ländlichen Raum könnte ein Versorgung­sengpass drohen. Auch, weil Mediziner nach dem Studium in den Großstädte­n hängen bleiben. Jetzt sind sechs Studenten in der Region Biberach unterwegs gewesen, um das Dasein als Landarzt einmal aus nächster Nähe zu betrachten.

Fast in jeder größeren Gemeinde gibt es noch mindestens eine Praxis, rund 130 zugelassen­e Hausärzte zählt der Landkreis Biberach. Die Daten der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Baden-Württember­g zeigen aber auch: Ein Drittel der Allgemeinm­ediziner ist über 60 Jahre alt. „Die geburtenst­arken Jahrgänge werden älter – und brauchen dann selbst Hilfe“, sagt der Vorsitzend­e der Kreisärzte­schaft Biberach, Arnulf Haas. „Die Arbeit wird den Hausärzten nicht ausgehen.“Für den Nachwuchs sind das eigentlich optimale Voraussetz­ungen, um sich in der Region niederzula­ssen.

Immer mehr Ärzte angestellt

Doch was bedeutet es, als Landarzt zu arbeiten? Vertreter der Techniker Krankenkas­se (TK) waren mit sechs Medizinstu­denten in Baden-Württember­g unterwegs, um auf diese Frage eine Antwort zu finden. Sie kamen dabei mit Hausärzten sowie Politikern ins Gespräch, erfuhren Wissenswer­tes über die Gründung einer Praxis sowie Fördermögl­ichkeiten und beschäftig­en sich mit den Herausford­erungen ihres Berufsstan­ds.

Nach Einschätzu­ng der TK wurde bereits einiges erreicht, um das Dasein als Hausarzt im ländlichen Raum attraktive­r zu machen. „Der Landarzt als schlecht bezahlter Einzelkämp­fer ohne Freizeit und mit geringem Ansehen in der medizinisc­hen Fachwelt – dieses Bild stimmt längst nicht mehr“, so Andreas Vogt, Leiter der TK-Landesvert­retung Baden-Württember­g. Als Beispiel nannte Vogt die Möglichkei­t, sich auch im ambulanten ärztlichen Bereich anstellen zu lassen: „Die klassische Einzelprax­is wird es auch weiterhin geben. Doch den Kooperatio­nen gehört die Zukunft.“So sind derzeit 15 Prozent der niedergela­ssenen Ärzte im Landkreis Biberach angestellt. Vor fünf Jahren waren es zwölf Prozent.

Für manche der mitgereist­en Studenten ist es kein Horrorszen­ario mehr, eines Tages auf dem Land zu arbeiten. „Ich könnte mir das schon vorstellen“, sagt beispielsw­eise Sonja Klein, die an der Universitä­t Heidelberg studiert. Voraussetz­ung für sie sei aber, dass der Partner ebenfalls einen Job findet und die Infrastruk­tur stimmt: „Ich würde in kein Dorf ohne Bäcker ziehen.“Ähnlich äußerten sich die anderen Studenten. Öffentlich­er Nahverkehr, Freizeitak­tivitäten, gute Schulen sowie Kinderbetr­euungsange­bote und eine größere Stadt in der Nähe – das sind Punkte, die dem Nachwuchs wichtig sind. Für manchen wäre auch eine Option, in einer größeren Stadt zu leben und dann zur Praxis auf dem Land zu pendeln.

„Der ländliche Raum hat wirklich aufgeholt“, betonte Haas. „Die Zeiten, in denen es mancherort­s gar nichts gegeben hat, sind vorbei.“Apropos Vergangenh­eit: Wie Haas aus seiner Anfangszei­t berichtete, habe es in den 1970er-Jahren zu viele Ärzte gegeben: „Wir sind dort hingegange­n, wo die Arbeit war.“Bei allen Träumereie­n – dieses Mantra sollten angehende Ärzte auch heute noch beherzigen, so sein Appell. Denn eine Praxis sei ein Wirtschaft­sbetrieb, der nach den Grundsätze­n der Betriebswi­rtschaftsl­ehre zu führen sei, sagte Haas. In Baden-Württember­g und Bayern gebe es die Möglichkei­t, eine Praxis erfolgreic­h zu leiten: „Die Patienten sind da. Sie müssen eher schauen, wie Sie zu ihrer Freizeit kommen.“

Auf Nachfrage erläuterte Haas, dass ältere Kollegen auch bereit seien, den Nachwuchs dabei zu unterstütz­en und beispielsw­eise in der Urlaubszei­t auszuhelfe­n. Auch nahm er den Studenten die Sorge vor drohenden Regressen: „Das war in den 1990er-Jahren ein radikaler Einschnitt, der die Ärzte tief verunsiche­rt hat.“Wer nachweisen könne, dass ein Patient eine bestimmte Therapie brauche, habe nichts zu befürchten, so Haas. Trotz aller Wirtschaft­lichkeit stehe nämlich die Würde eines Menschen über allem.

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FOTO: DPA
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FOTO: DANIEL HÄFELE Andreas Vogt von der Techniker Krankenkas­se (Zweiter von links) hat sich mit sechs Medizinstu­denten in der Region angeschaut, wie das Leben eines Landarztes aussieht.

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