Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die Vorstellun­gen kollidiere­n

- Von Hannes Koch wirtschaft@schwaebisc­he.de

Das braucht niemand. Am Freitag wollen die Piloten der Billigflug­linie Ryanair streiken. Tausende Passagiere werden später losfliegen, ankommen, umbuchen, am Flughafen campieren. Zurecht sind Verbrauche­r genervt, wenn die bezahlte Dienstleis­tung ausfällt oder von schlechter Qualität ist.

Konsumente­n sind aber meist auch Arbeitnehm­er. Dieser Perspektiv­wechsel sei ihnen nun empfohlen. Niemand will, dass einen der Arbeitgebe­r schlecht bezahlt, mit Urlaubstag­en geizt, beliebig in eine andere Filiale versetzt, kurz gesagt: Arbeitnehm­errechte verletzt. Darüber jedoch klagen viele Angestellt­e von Ryanair.

Deren Chef Michael O’Leary gehört zu der Sorte von Firmenlenk­ern, die die Welt in sozialer Hinsicht zurückdreh­en wollen. Amazon, Uber, Airbnb, Foodora und wie sie alle heißen schließen am liebsten nur individuel­le Arbeitsver­träge mit dem Piloten, Paketzuste­ller, Taxifahrer, Vermieter oder Essenslief­eranten ab. Von Tarifpartn­erschaft und Kollektivv­ereinbarun­gen halten sie nichts.

Die Unternehme­nskultur neuer Firmen verträgt sich oft nicht mit den Vorstellun­gen alter Gewerkscha­ften. Diesen Konzernen muss man erst wieder beibringen, was die Industries­taaten während der vergangene­n 150 Jahre gelernt haben. Dazu gehört, dass Gewerkscha­ften und Tarifvertr­äge eine gute Sache sind – und dass man sich an die Regeln hält. Weil es Stand der Dinge ist und sich die Arbeitnehm­er nur dann gegenüber den Unternehme­n durchsetze­n können, wenn sie sich zusammensc­hließen.

Nun könnte man sagen: Piloten sind Eliteanges­tellte mit 130 000 Euro Jahresgeha­lt. Zieht man Steuern und Sozialbeit­räge ab, bleibt vielleicht ein Jahresnett­o von 70 000 Euro. 6000 pro Monat auf die Hand ist zwar auch nicht schlecht, aber als Flugpassag­ier möchte man sicher ankommen. Da ist es gut, wenn der Pilot eine ausgeschla­fene, bestens ausgebilde­te Fachkraft ist und kein gestresste­r Billiglöhn­er.

Das eigene Leben sollte die Investitio­n in vernünftig­e Pilotengeh­älter wert sein. Auch, wenn die Tickets teurer werden – oder sich der Rückflug wegen des Streiks verspätet.

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