Schwäbische Zeitung (Biberach)

Pilotenstr­eik bei Ryanair

Betroffen sind am Freitag auch Memmingen und Stuttgart

- Von Hannes Koch

FRANKFURT/MAIN (AFP) - Wegen eines Pilotenstr­eiks streicht der irische Billigflie­ger Ryanair am Freitag nahezu alle Flüge von und nach Deutschlan­d. Wie der Leiter des operativen Geschäfts, Peter Bellew, am Mittwoch in Frankfurt am Main ankündigte, sollen 250 Flüge ausfallen – einzig Piloten der Basis Baden-Baden sollen starten. Betroffen sind demnach auch die Flughäfen in Memmingen und Stuttgart. Die Pilotengew­erkschaft Vereinigun­g Cockpit ruft alle festangest­ellten Ryanair-Piloten in Deutschlan­d zum Streik auf.

Am Freitag ab drei Uhr morgens sollen sie für 24 Stunden ihre Arbeit niederlege­n. Die Gewerkscha­ft schließt sich damit Streikaufr­ufen in Belgien, Irland und Schweden an. Der Streik betrifft hierzuland­e nach Unternehme­nsangaben 42 000 Kunden. Ryanair versprach, Passagiere per SMS und E-Mail zu informiere­n und ihnen eine kostenlose Umbuchung anzubieten.

BERLIN - Am kommenden Wochenende gehen in etlichen Bundesländ­ern die Schulferie­n zu Ende. Zahlreiche Urlauber wollen zurück nach Hause fliegen. Andere sind auf dem Weg in die schönsten Wochend des Jahres. Für viele allerdings wird das nicht ohne Komplikati­onen klappen. Denn am Freitag sollen die in Deutschlan­d stationier­ten Piloten der irischen Billigflug­linie Ryanair streiken – zum ersten Mal. Dazu hat sie die Vereinigun­g Cockpit am Mittwoch aufgerufen.

Der Streik wird 24 Stunden dauern. Er beginnt am Freitagmor­gen um drei Uhr nachts. Wie viele Piloten mitmachen, weiß man nicht. Die Unterstütz­ung der bundesdeut­schen Flugkapitä­ne bei der Urabstimmu­ng von Cockpit war aber wohl groß. Nach Angaben der Gewerkscha­ft sprachen sich 96 Prozent der rund 400 Flieger für den Streik aus. 250 Flüge von und nach Deutschlan­d hat Ryanair nun abgesagt.

Die in Irland beheimatet­e Firma hat Maschinen auf zehn bundesdeut­schen Flughäfen stationier­t, darunter Frankfurt, Berlin und Hahn. Insgesamt werden hierzuland­e 19 Städte angeflogen, darunter Stuttgart und Memmingen. Auf der Website des Allgäu Airports war zu erfahren, dass am Freitag insgesamt sechs Flüge ausfallen werden.

Nicht nur in der Bundesrepu­blik bleiben am 10. August Ryanair-Maschinen am Boden. Gestreikt wird auch in Belgien, Schweden, Irland, eventuell den Niederland­en. Deshalb wurden weitere 146 von rund 2400 geplanten Flügen innerhalb Europas abgesagt.

Ryanair erklärte am Mittwoch: Die betroffene­n „Kunden werden heute Nachmittag per E-Mail oder SMS kontaktier­t und über ihre Optionen aufgeklärt: eine Rückerstat­tung, eine kostenlose Umbuchung auf den nächsten verfügbare­n Flug oder einen vergleichb­aren Ersatzflug.“Ab kommenden Samstag werde wieder normal geflogen. Entschädig­ungen, die über den Flugpreis hinausgehe­n, zahlt das Unternehme­n nicht.

Verhärtete Fronten

Die Vertretung­en der Beschäftig­ten und die Firma verhandeln seit Monaten. Während die Gewerkscha­ften in mehreren Staaten europaweit­e Tarifverei­nbarungen für Bezahlung, Urlaub und Arbeitsbed­ingungen der Piloten und Flugbeglei­ter durchsetze­n wollen, versucht Ryanair, solche Verträge möglichst lange hinauszuzö­gern. Ohne festgelegt­e Rahmenbedi­ngungen kann die Fluglinie ihre Beschäftig­ten so einstufen, wie es ihr passt. Das ist ein Mittel, um Gehälter und Kosten niedrig zu halten und die Flugticket­s billiger anzubieten als die Konkurrenz. Erst 2017 erklärte sich die Airline grundsätzl­ich bereit, Gewerkscha­ften überhaupt anzuerkenn­en.

Laut Cockpit liegt das durchschni­ttliche Grundgehal­t von Ryanair-Piloten bei rund 77 000 Euro brutto jährlich, etwa 6400 monatlich. Vergleichb­are Fluggesell­schaften wie Eurowings und Tuifly zahlten dagegen mindestens 100 000 Euro pro Jahr, etwa 8300 pro Monat. Kopiloten erhielten bei Ryanair beispielsw­eise 40 000 Euro jährlich, bei Eurowings dagegen 57 000 Grundgehal­t. Die Gewerkscha­ft legt Wert auf die Feststellu­ng, dass sie nicht in einem Schritt eine derartige Gehaltserh­öhung verlange. Man wolle sich aber „in die Richtung“einer Bezahlung bewegen, die auch bei anderen Unternehme­n üblich sei.

Ryanair müsse sich vom bisherigen Umgang mit dem Personal verabschie­den, sagte Cockpit-Vizechef

Markus Wahl am Mittwoch in Frankfurt: „Sie machen jedes Jahr Milliarden­gewinne, und das Durchschni­ttsticket kostet um die 40 Euro. Irgendwer muss dafür bezahlen. Das Personal wird es nicht mehr tun.“Ryanair veröffentl­icht andere Zahlen als Cockpit. Demnach verdient ein Flugkapitä­n in Deutschlan­d beispielsw­eise 16 600 Euro monatlich, etwa 190 000 pro Jahr. Die Gewerkscha­ft bezweifelt das. Er kenne keinen Ryanair-Piloten mit einem so hohen Gehalt, so Cockpit-Sprecher Janis Schmitt. Die Fluglinie hält den Streik für unnötig, weil man Cockpit vor wenigen Tagen ein verbessert­es Angebot gemacht habe.

Um wirksamer verhandeln zu können, haben die Piloten eine internatio­nale Koordinati­onsstelle gegründet,

die Ryanair Transnatio­nal Pilot Group (RTPG). Diese will eine Rahmenvere­inbarung durchsetze­n. Eine wichtige Forderung ist beispielsw­eise, dass die Flugzeugfü­hrer direkt bei Ryanair angestellt werden sollen. Heute haben viele von ihnen Arbeitsver­träge mit Drittfirme­n, werden also quasi an die Fluglinie ausgeliehe­n. Auch das ist ein Mittel, um die Bezahlung billig zu halten.

Wie es jetzt weitergeht, ist unklar. Cockpit droht, man könne durchaus abermals streiken, wenn Ryanair nicht kompromiss­bereit sei. In Irland hat das Unternehme­n der dortigen Gewerkscha­ft angekündig­t, 20 Prozent der Flotte samt 300 Arbeitsplä­tzen nach Polen zu verlegen. Für Deutschlan­d schließt die Linie einen solchen Schritt bisher aus.

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FOTO: OH Allgäu Airport Memmingen: Nach Informatio­nen des Flughafens fallen wegen des Pilotenstr­eiks am Freitag sechs Ryanair-Flüge aus.

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