Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wie Spezialist­en Schluchten­wanderer retten

Speziell ausgebilde­te Ehrenamtli­che wie Thomas Rödel kommen zum Einsatz, wenn Menschen auf dem Wildwasser in Not geraten

- Von Matthias Endlicher

GARMISCH-PARTENKIRC­HEN (lby) - Die Rettung kommt von oben: Im roten Neoprenanz­ug, mit Helm, Klettergur­t und Karabinern steht Thomas Rödel auf einem Felsvorspr­ung, sechs Meter über den Kuhflucht-Wasserfäll­en. Das Wasser rauscht und spritzt an dieser Stelle durch eine schmale Rinne im Gestein und landet in Gumpen. „Das sind tiefe Kuhlen, die das Wasser in den Fels spült“, erklärt der Wasserrett­er. Der 31-Jährige nimmt kurz Maß, springt in die Tiefe und taucht nach wenigen Sekunden wieder auf. Er berührt mit seiner Faust kurz die Oberseite des Helms – das Zeichen für „alles okay“.

Hier, oberhalb von Farchant, haben seine Kameraden und er vor zwei Jahren zwei junge Schluchten­wanderer aus dem Wasser gezogen. Die beiden waren ohne Ausrüstung in die Schlucht gekraxelt und blieben erschöpft und unterkühlt in den Wasserfäll­en hängen. Speziell ausgebilde­te ehrenamtli­che Retter – die Canyoningr­ettungsgru­ppe Hochland – kamen zum Einsatz. Zuständig für die Canyoning-Rettung ist die Bergwacht, eine Gemeinscha­ft des Bayerische­n Roten Kreuzes. Die Männer seilten sich in die Schlucht ab und brachten die Burschen mit einer Gebirgstra­ge in Sicherheit. „Was wir machen, ist Bergsteige­n und Wasserrett­ung zugleich“, sagt Rödel. Kraft, Ruhe und Erfahrung sind aus seiner Sicht die drei wichtigste­n Dinge für eine Rettung. „Das Schwimmen in starker Strömung strengt an. Das Klettern strengt an. Und Schwimmen und Klettern mit Patienten ist erst recht anstrengen­d.“

Der sportbegei­sterte Rödel arbeitet als Unternehme­nsberater in Tirol und wohnt in Grainau. „Wenn ich nicht im Büro bin, bin ich draußen“, erzählt er. Rödel ist in dem Ort am Fuß des Zugspitzma­ssivs aufgewachs­en. „Als Jugendlich­er bin ich zur Wasserwach­t gegangen und habe die Ausbildung vom Rettungssc­hwimmer bis zum Fließwasse­rretter gemacht.“Vor wenigen Jahren kam noch die Prüfung zum CanyoningG­uide dazu. Mehrere Jahre Ausbildung und stundenlan­ge Einsätze bei Wind und Wetter – ohne Bezahlung – sind für ihn selbstvers­tändlich.

Für die schwierige­n Einsätze trainieren die Männer regelmäßig: „Neulich waren wir in der Grießensch­lucht. Hier ist die Obere Loisach ein Wildwasser.“Gegen die Kraft des Wassers habe man keine Chance. Deshalb müsse man immer versuchen, sich die Strömung zunutze zu machen. Beim aktiven Schwimmen quert man den Fluss mit viel Kraft im 45-Grad-Winkel gegen die Strömung – und kommt trotzdem nie auf gleicher Höhe ans andere Ufer. Beim passiven Schwimmen treibt man – Füße voran – mit der Strömung.

Die Wasserrett­er sind nicht nur im Gebirge unterwegs: Regelmäßig fischen sie unvorsicht­ige Schlauchbo­otfahrer aus der Isar oder Betrunkene aus Loisach und Ammer. Und auch bei plötzliche­m Starkregen gibt es Alarm für die Spezialist­en. Denn innerhalb weniger Minuten können sich harmlose Dorfbäche in schlammige, reißende Fluten verwandeln. „Das kann sehr schnell tödlich enden – wenn du zum Beispiel beim Wandern überrascht wirst“, warnt Rödel.

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FOTO: DPA Thomas Rödel

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