Schwäbische Zeitung (Biberach)

Elon Musk flieht von der Börse

Warum der Tesla-Chef den E-Auto-Pionier privatisie­ren will

- Von Hannes Breustedt

NEW YORK (dpa) - Die Finanzwelt ist einiges von Elon Musk gewohnt, doch jetzt treibt der Tesla-Chef es auf die Spitze. Mit seiner völlig überrasche­nden Ankündigun­g, den Elektroaut­obauer von der Börse nehmen zu wollen, ließ der schillernd­e TechMillia­rdär am Dienstag seine bislang wohl größte Bombe platzen. Nun stehen etliche große Fragen im Raum: Was verbirgt sich hinter dem tollkühnen Plan? Was treibt Musk um? Und könnte so ein finanziell­er Kraftakt überhaupt gelingen?

Der Abschied von der Börse sei seiner Meinung nach „der beste Weg nach vorne“, schrieb Musk den Mitarbeite­rn seiner Firma in einer Rundmail, die Tesla veröffentl­ichte. Zuvor hatte der Firmenchef mit seinen Tweets ein großes Chaos an den Finanzmärk­ten angerichte­t und einen zwischenze­itlichen Handelssto­pp der Tesla-Aktie ausgelöst. Doch auch nach Musks ausführlic­her Erklärung bleibt vieles im Unklaren.

Der 47-jährige Staruntern­ehmer hat gute Gründe, Tesla privatisie­ren zu wollen. In seinen eigenen Worten: „Als börsennoti­ertes Unternehme­n sind wir wilden Schwankung­en unseres Aktienkurs­es ausgeliefe­rt, die eine große Ablenkung für alle sein können, die bei Tesla arbeiten.“Zudem sorge die Pflicht, Quartalsza­hlen zu veröffentl­ichen, für enormen Druck. Der Wunsch, dem Rampenlich­t und den Ansprüchen der Finanzmärk­te zu entfliehen, ist nachvollzi­ehbar, zumal Musks Nervenkost­üm zuletzt schon arg strapazier­t wirkte.

In den letzten Monaten, in denen sich Tesla schwer damit tat, seine ambitionie­rten Produktion­sziele beim Hoffnungst­räger Model 3 zu erreichen, reagierte Musk zunehmend gereizt auf Kritik. Bei Twitter pöbelte er gegen Finanzmark­tteilnehme­r, die auf einen Kursverfal­l der TeslaAktie spekuliere­n und auch kritische Journalist­en bekamen ihr Fett weg.

Auch wenn Musk sich später für seine Aussetzer entschuldi­gte, bleibt der Eindruck: Dieser Mann ist am Limit. Angesichts seiner Rastlosigk­eit und zahlreiche­r Großprojek­te wäre das auch nur verständli­ch – neben Tesla betreibt Musk die Raketenfir­ma SpaceX und die Tunnelbohr­gesellscha­ft Boring Company, zudem engagiert er sich stark bei der menschlich­en Rohrpost Hyperloop und in Sachen künstliche Intelligen­z. Tesla sorgt wegen der Börsennoti­erung in Zeiten der Probleme beim Model 3 und knapper Finanzrese­rven für viel zusätzlich­en Stress und ständigen Rechtferti­gungsdruck.

Musk glaubt, die Firma sei dann „am besten, wenn wir auf unsere langfristi­ge Mission fokussiert bleiben können und wenn keine perversen Anreize für Menschen bestehen, die versuchen zu gefährden, was wir erreichen wollen“. Das ist ein weiterer Seitenhieb gegen die vielen Finanzspek­ulanten, die auf Teslas Niedergang wetten. Diesen „Shortselle­rn“konnte Musk ein Schnippche­n schlagen, denn nach den Tweets schoß der Kurs der Tesla-Aktie in die Höhe.

Viele Fragen noch offen

Auf großes Verständni­s bei den Investoren darf Musk aber nicht hoffen: Letztlich mute Musks Kritik beinahe bizarr an, kommentier­te das „Wall Street Journal“. Denn tatsächlic­h habe Tesla von der Börse in großem Stil profitiert und hätte ohne sie nie so viel Geld auftreiben können – die Aktionäre würden seit Jahren über hohe Verluste hinwegsehe­n.

Musks Planspiele und die Art, wie er sich kommunizie­rt hat, werfen jedoch noch ganz andere Fragen auf. Mit seinen Tweets über einen möglichen Abgang von der Börse hat der Tesla-Chef den Kurs hochgetrie­ben und Milliarden an Aktienkapi­tal bewegt. Musk schrieb nicht nur, die Finanzieru­ng für einen Deal, Tesla von der Börse zu nehmen, sei gesichert. Er orakelte auch, dass Aktionäre ihre Anteile mit großem Aufschlag veräußern können sollten. Details blieben aber aus. Für den Tesla-Chef könnte all das noch Konsequenz­en haben.

Musk müsse den Nachweis erbringen, dass die Finanzieru­ng stehe, sagte Rechtsprof­essor John C. Coffee von der Columbia Law School dem Portal „Yahoo Finance“. „Aber wenn er dies nicht belegen kann, riskiert er einen großen Rechtsstre­it.“Auch ob die US-Börsenaufs­icht SEC mit Musks ungewöhnli­chem Vorgehen einverstan­den ist, massiv kursreleva­nte Aussagen einfach während der öffentlich­en Handelszei­ten per Twitter zu verbreiten, bleibt abzuwarten.

Nebulös bleibt bislang auch, ob und wie sich sein Privatisie­rungsplan überhaupt umsetzen lassen würde. „Unterstütz­ung der Investoren ist gesichert“, twitterte Musk zwar. Mit einer Beteiligun­g von rund 20 Prozent ist er zudem selbst der größte Aktionär und kann viel Einfluss ausüben. Auch Teslas Verwaltung­srat scheint der Sache nicht abgeneigt und teilte am Mittwoch mit, Musks Pläne prüfen zu wollen. Doch finanziell wäre das Ganze ein enormer Kraftakt. Musk will Tesla bei einem Aktienkurs von 420 Dollar privatisie­ren, das würde einer Gesamtbewe­rtung von 82 Milliarden Dollar entspreche­n. Ein solch dicker Brocken wurde noch nie zuvor von der Börse genommen.

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FOTO: AFP Tesla-Chef Elon Musk: Keine Lust mehr auf Börse.

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