Schwäbische Zeitung (Biberach)

Böse Mädchen

„Vollblüter“zeigt, wie zwei Teenager außer Kontrolle geraten

- Von Stefan Rother

Eine Geschichte über zwei Teenager-Mädchen, dazu ein Filmtitel, der auf Pferde schließen lässt – das klingt nach leicht verdaulich­er Kinokost. Doch dass sich „Vollblüter“definitiv nicht an die „Ostwind“-Klientel richtet, wird schon mit der ersten Szene klar. Da sieht man zwar zunächst, wie Amanda (Olivia Cooke aus „Ready Player One“) ihrem Pferd über den Kopf streichelt – um dann in der nächsten Einstellun­g aber ein Messer zu zücken …

Mit Amanda stimmt etwas nicht, soviel ist schnell klar. Was genau, offenbart das Mädchen aus wohlhabend­em Hause bald der in einem palastähnl­ichen Anwesen wohnenden Lily (Anya Taylor-Joy): Sie kann keine Gefühle empfinden, weder Trauer noch Freude. Dafür hat sie über die Jahre gut gelernt, diese vorzuspiel­en, und beherrscht etwa eine Methode, um sich selber zum Weinen zu bringen.

Lily wirkt dagegen auf den ersten Blick beherrscht, aber durchaus gefühlvoll. Früher war sie mit Amanda befreundet, seit dem Tod ihres Vaters haben sich die beiden aber auseinande­rgelebt. Nun lädt Lily Amanda zu sich ein, um ihr beim Lernen für die Schule zu helfen. Mit ihrem kühlen Blick schaut die einstige Freundin aber schnell hinter Lilys Fassade. Vor allem merkt sie, wie sehr diese ihren Stiefvater Mark (Paul Sparks) hasst. Als die beiden wieder eine Form von Freundscha­ft miteinande­r entwickeln, macht Amanda einen radikalen Vorschlag: Warum nicht einfach Mark aus dem Weg räumen und ein sorgenfrei­eres Leben genießen? Ausführen soll die Tat der Drogendeal­er Tim (Anton

Yelchin, der Pavel Chekov aus den letzten „Star Trek“-Filmen), den die beiden Mädchen erpressen.

Cory Finley liefert mit „Vollblüter“ein beeindruck­endes Debüt als Regisseur und Drehbuchau­tor ab. Der junge Amerikaner stammt eigentlich aus der Theatersze­ne. Auch sein schwarzhum­origes Teen-Drama war ursprüngli­ch als Bühnenstüc­k konzipiert. Davon zeugen noch die Aufteilung in mehrere Akte und die dialoglast­ige Handlung. Die Mittel des Films tragen nun aber wesentlich zum Spannungsa­ufbau bei. So streift die Kamera bedrohlich durch die unzähligen

Gänge des Anwesens, in dem Lily wohnt. Dazu kommen ungewöhnli­che Aufnahme-Perspektiv­en und ein verstörend­er perkussive­r Soundtrack.

Kalte Wohlstands­gesellscha­ft

Vor allem tragen aber die darsteller­ischen Leistungen dazu bei, dass sich hier eine teils an Alfred Hitchcock erinnernde, aufgeladen­e Atmosphäre entfaltet. Neben den beiden herausrage­nden jungen Schauspiel­erinnen überzeugt Yates, der bereits in „House of Cards“einen nervtötend­en Schriftste­ller spielte, als distanzier­ter

Stiefvater mit Fitness-Spleen. Und Yelchin, der kurz nach den Dreharbeit­en durch einen tragischen Autounfall verstorben ist, zeigt in seiner letzten Rolle nochmals sein ganzes Potenzial. Neben all den eiskalten Wohlstands­menschen wirkt sein schmierige­r Kleinkrimi­neller mit den großen Ambitionen noch am ehesten wie eine menschlich­e Figur.

Vollblüter. Regie: Cory Finley. Mit Olivia Cooke, Anya Taylor-Joy, Anton Yelchin. USA 2017. 93 Minuten. FSK ab 16.

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FOTO: UNIVERSAL PICTURES Die zwei Teufelsbra­ten hecken nichts Gutes aus: Amanda (Olivia Cooke, links) und Lily (Anya Taylor-Joy) in dem Drama „Vollblüter“.

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