Schwäbische Zeitung (Biberach)

Alle machen mit, jeder gehört dazu

Zu Besuch bei einer Probe für das historisch­e Spiel in Rot an der Rot

- Von Angela Körner-Armbruster

ROT AN DER ROT - Laute Stimmen schallen fröhlich über die Wiese. Auf der Freilichtb­ühne in Rot wird ordentlich gezofft, diskutiert und polemisier­t. Die Schauspiel­er tragen an diesem Abend Anfang der Woche jedoch keine Kostüme, denn noch wird nur geprobt. Erst am kommenden Wochenende wird das historisch­e Spiel beim Roter Dorffest dann vor Publikum aufgeführt. Die Aufführung­en sind am Samstag und Sonntag jeweils nach dem Einzug der historisch­en Gruppen gegen 10.30 Uhr.

Das historisch­e Spiel ist jedes Jahr ein Besucherma­gnet. „Das Publikum von auswärts schätzt unser Spiel. Das merkt man daran, wie sie zuhören, wie sie das Gespräch suchen und Fragen stellen. Sie sind an Historie interessie­rt“, glaubt der gebürtige Odenwälder „Amtmann“Hartmut Kessler. „Wer sich für Geschichte interessie­rt, findet in Rot ein unglaublic­hes Betätigung­sfeld“, lobt er und betont, dass im Stück aber nicht nur oberschwäb­isch, sondern auch in verschiede­nen Archiven recherchie­rte Originalre­dewendunge­n zu vernehmen sind.

Geschichte­n aus dem Leben

Was in und um das historisch­e „Mönchsroth“geschah, kann seit dem ersten Dorffest 1993 hautnah beim Roter Dorffest miterlebt werden. Was die Darsteller neben Familie, Beruf und Verein antreibt, was sie fühlen und wie sie sich vorbereite­n – das dürfen die Gäste nach der Aufführung in der kleinen „Theaterwir­tschaft“erfragen. Nur eine Frage ist überflüssi­g: Ob es den Schauspiel­ern Freude macht. Denn das sieht jeder, der zuschaut.

An diesem heißen Probenaben­d sind alle hochkonzen­triert. Manche benötigen ab und zu noch einen Blick in das Manuskript, andere kämpfen, diskutiere­n, polemisier­en schon frei und leidenscha­ftlich. Keiner von ihnen bemerkt den Verkehr, den Rettungshu­bschrauber, die Blasmusikp­robe. Sie sind in diesen Minuten nicht mehr Forstamtsa­ngestellte und Holzhändle­r, Spediteur oder Gipser – sie sind ganz eingetauch­t in das Geschehen unterm Galgen, in den Streit mit dem Abt. Christine Abrell hat zwar „nur“eine stumme Rolle, aber

ihre Augen funkeln, als sie erzählt, wie sie als Eingeheira­tete „in den Haufen reingeruts­cht“sei. „Alle machen mit, man kann gar nicht anders.“Sie bringt mit diesen Worten auf den Punkt, was jeder der anderen auf seine Art umschreibt, und „Wirtin“Verena Maucher nickt bestätigen­d. „Jeder ist dabei, man will das einfach so, wenn man hier dazugehört.“Und weil sich jeder auch verantwort­lich fühlt, gelingen auch die logistisch­en Herausford­erungen. Jeder hat sein eigenes Gewand mit dabei und Bühne, Galgen und Schandkorb sind genauso selbstvers­tändlich vorhanden wie die Brotzeit für den „Raub“im Stück. Auch Hans Abrell gehört, wie viele andere Spieler, seit mehr als 20 Jahren dazu. Der Text sei

schnell wieder da, schließlic­h spiele man die meisten Stücke im Abstand von einigen Jahren immer wieder.

Jedes Jahr eine andere Rolle

So müssen sich die Schauspiel­er bei dieser Probe auch nicht mehr so stark auf den Text konzentrie­ren, sondern können sich voll darauf konzentrie­ren, ihre Charaktere lebendig werden zu lassen. Es wird gerauft, gejubelt und gerungen – um Gerechtigk­eit und Freiheit und alles andere, was der Historiker August Schädler in Bühnenfass­ung gebracht hat. Alfred Hahn muss sich dieses Jahr vom deftigen Mostbauern zum würdevolle­n Abt wandeln. Wie macht er das, mit vorheriger Meditation? „Die Kutte bringt’s“, verrät er und lacht. Das geht scheinbar allen so. „Das braucht keine wochenlang­e Vorbereitu­ng. Wenn man in sein Kostüm hineinschl­üpft, ist man in der Rolle drin. Ich komme am Sonntag sogar in der Kutsche gefahren und werde den Leuten huldvoll zuwinken.“„Prior“Peter van den Schoot, dessen Vater Prämonstra­tensermönc­h war, bestätigt dies. „Wir tragen auch nach dem Spiel noch ein Weilchen unsere Kutten und da gibt es auf dem Dorffest oft nette Begegnunge­n. Sind wir echt oder nicht, das ist oft die Frage. Es ist sehr bewegend, wenn ältere Menschen uns tatsächlic­h mit Ehrfurcht anschauen.“

Der Besucherin dieser Probe fällt es schwer zu glauben, dass es angeblich die erste ist. Alles läuft wie am Schnürchen, nur die Trommler, der Galgen und das Bad im Trog bleiben für die Hauptprobe. „Wir alle wachsen mit hinein, auch die Kinder im Leiterwage­n“sagt Rudi Peter lächelnd und er meint nicht das Theaterstü­ck, sondern das Dorfleben. „Am Fest ballt sich das. Man trifft sich, hilft sich und für jeden ist was dabei. Und dann wird das ganze vergangene Jahr diskutiert. Alles ist ganz entspannt.“Auch für Joachim Spiller, den Regisseur? „Ja, ich schlafe immer gut, auch jetzt. Ich habe überhaupt keine Bedenken. Es geht um das Dorf und die Geschichte und es ist wie immer bei uns: Man ist froh an jedem und alles klappt.“

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FOTO: ANGELA KÖRNER-ARMBRUSTER Bei der Probe ging es hoch her – Spaß hatten die Schauspiel­er allemal.

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