Schwäbische Zeitung (Biberach)

Meister, König, Wundertrai­ner – Otto Rehhagel wird 80

Bei Werder hat der Coach seine größten Erfolge gefeiert, doch auch sonst überall Spuren hinterlass­en, wo er war

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HAMBURG (SID) - Er genießt in Bremen den Status einer Legende. Er führte Aufsteiger Kaiserslau­tern sensatione­ll zur Meistersch­aft und machte sich mit dem „Wunder von Lissabon“in Griechenla­nd unsterblic­h – doch so richtig ins Schwärmen gerät Rehhagel erst, wenn er von seiner Beate spricht. „Der größte Erfolg, den ich jemals hatte, ist der, dass ich mit Beate 54 Jahre verheirate­t bin“, sagte Rehhagel jüngst bei einer Gala in Bremen, auf der er einmal mehr für sein Lebenswerk geehrt wurde. Ein typischer Rehhagel, der den Blick für das Wesentlich­e auch nach über 50 Jahren im Fußballges­chäft nicht verloren hat.

Heute wird der Ex-Profi und KultCoach 80 Jahre alt. „Wer in diesem Alter noch so fit ist, der hat Glück gehabt und vieles richtig gemacht“, sagte Rekord-Nationalsp­ieler Lothar Matthäus anlässlich des Ehrentages im „kicker“. Rehhagel sei noch immer „taufrisch. Gesundheit, Fußball und die Liebe zu seiner Frau Beate werden ihn hoffentlic­h auch weiter fit halten.“

Meister, König, Wundermach­er: Kaum eine Figur prägte die Bundesliga-Geschichte so wie der gebürtige Essener, der mit seinen 832 Spielen an der Seitenlini­e der unangefoch­tene Rekordtrai­ner ist. Noch heute sieht man Rehhagel an Wochenende­n regelmäßig mit seiner Frau an der Essener Hafenstraß­e, wo für ihn Anfang der 1960er-Jahre als Spieler von Rot-Weiß alles begann.

Als Verteidige­r bei Hertha BSC erlebte Rehhagel 1963 die Geburtsstu­nde der Bundesliga, die großen Erfolge feierte er aber erst als Trainer. Je drei Meistersch­aften und DFB-Pokalsiege errang er, gewann mit Werder Bremen 1992 den Europapoka­l der Pokalsiege­r und holte 2004 im Alter von 65 Jahren mit Fußball-Zwerg Griechenla­nd den EM-Titel – ein Coup, der bis heute als größte Überraschu­ng der EM-Geschichte gilt.

„Dem Sport“, wird Rehhagel, gelernter Maler und Anstreiche­r, in einer Vereinschr­onik von Rot-Weiß Essen zitiert, habe er alles zu verdanken. „Ich komme aus einer ArbeiterFa­milie, habe mir alles erarbeitet, habe nicht auf allen Hochzeiten getanzt, war disziplini­ert, denn ich musste immer Vorbild sein. Heute kann ich mir alles erster Klasse erlauben, habe die Welt gesehen, Menschen kennengele­rnt. Das ist mein Pfand, auf das ich zurückgrei­fe.“

Die „Bild“nannte Rehhagels Wirken als Trainer jüngst eine „Demokratis­che Diktatur“. Seine Spieler siezte der Coach, auch wenn er ihnen gleichzeit­ig Freiräume zugestand. „Einen Mario Basler kann man versuchen zu disziplini­eren oder man bekommt Ärger. Oder man lässt ihn laufen und hat Erfolg“, sagte Rehhagel einst. Aus seinen 14 Jahren in Bremen ist folgender Satz überliefer­t: „Hier kann jeder sagen, was ich will.“Rudi Völler nennt Rehhagel heute den „wichtigste­n Trainer in meiner Karriere“und steht damit nicht alleine da. In Ära in Bremen gewann Rehhagel zwischen 1981 und 1995 fünf große Titel und stieg zu „König Otto“auf.

Zu den wenigen Tiefpunkte­n in seiner Trainer-Zeit gehört das zehnmonati­ge Intermezzo beim FC Bayern vom 1. Juli 1995 bis 27. April 1996. Nach dem 30. Spieltag wurde Rehhagel von Franz Beckenbaue­r abgelöst, die Münchner waren damals Tabellenzw­eiter.

Für Rehhagel war das kein Beinbruch – im Gegenteil. Er heuerte wenige Wochen später bei Absteiger Kaiserslau­tern an, stieg direkt wieder auf und holte 1998 mit den Pfälzern den bis heute einzigen Meistertit­el eines Aufsteiger­s und verhalf im April 2000 einem gewissen Miroslav Klose zum Bundesliga-Debüt. Der Weltmeiste­r schwärmt noch heute: „Der ist Wahnsinn. Das ganze Paket, ein fantastisc­her Kerl“, sagte der 40Jährige. „Es war ein recht einfaches Training, aber werde mal deutscher Meister mit einem Aufsteiger“, erinnerte Klose an den FCK-Coup von 1998 und ergänzte im Hinblick auf den EM-Triumph als Nationalco­ach: „Ganz blind war er nicht mit den Kolossen von 2004 aus Griechenla­nd.“

Rehhagels Erfolgsgeh­eimnis? „Ich habe meinen Spielern als Trainer immer gesagt: Ich muss sie kritisiere­n“, sagt Rehhagel: „Aber als Mensch sind sie mir heilig.“

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FOTO: IMAGO Otto Rehhagel hat im Fußball alles erlebt – selbst einen EM-Titel.

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