Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kritik vor Merkels Reise
Grüne bemängeln Wirksamkeit des Spanien-Abkommens
MADRID (dpa/rs) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reist nach dem Ende ihres Urlaubs am Wochenende nach Spanien. Bei einem informellen Treffen mit Ministerpräsident Pedro Sánchez in Andalusien wird das Migrationsthema im Zentrum stehen. Spanien ist seit Montag das erste EU-Land, mit dem ein Abkommen zur Rücknahme von Asylbewerbern besteht. Es ermöglicht, bereits in Spanien registrierte Flüchtlinge binnen 48 Stunden dorthin zurückzuschicken.
Am Freitag gab es jedoch Kritik an der Vereinbarung, die nun in Kraft tritt. Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock sagte: „Das Abkommen betrifft nur wenige Menschen, die den Umweg von Spanien über die deutsch-österreichische Grenzen nehmen.“Nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“, die vom Bundesinnenministerium bestätigt wurden, wäre in den vergangenen zwei Monaten kein Flüchtling vom Abkommen betroffen gewesen.
BERLIN - Gerade einmal zweieinhalb Wochen war sie in Urlaub, jetzt kehrt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf die politische Bühne zurück. An diesem Samstag aber nicht nach Berlin, sondern erst einmal nach Andalusien.
Thema Migration
Angela Merkel ist auf den Feriensitz des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sanchez eingeladen. Denn das Thema Flüchtlinge wird wohl auch in den kommenden Wochen alle anderen überstrahlen. Immer wieder wird es um eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen in Deutschland gehen, aber auch um Gerechtigkeit für die Länder mit den meisten Ankünften wie Spanien, Italien und Griechenland. Spanien ist das neue Hauptziel der Flüchtlinge. Das Land hat Horst Seehofer schon seine Zusage gegeben, registrierte Asylbewerber von Deutschland wieder zurückzunehmen. Merkel möchte sich in der EU dafür einsetzen, dass Spanien mehr Unterstützung bei der Sicherung seiner Küsten erhält.
In Spanien ging es 2017 um 2312 Überstellungsgesuche von deutscher Seite. Wesentlich größer ist das Problem mit Italien, wo Deutschland mit wenig Erfolg 22 706 Ersuche stellte – die wurden zwar zu einem Großteil akzeptiert, aber nur 2110 Migranten wurden überstellt.
Problemfall CSU
Dass Spanien Flüchtlinge zurücknimmt, ist ein erster Schritt. Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte andernfalls gedroht, die Grenzen zu schließen. Nun wird es um ähnliche Abkommen mit Griechenland oder Italien gehen. Der Flüchtlingsstreit zwischen Seehofer und Merkel hat ein halbes Jahr lang die Republik in Atem gehalten und fast zum Bruch der Koalition geführt. Die Nerven sind vor der bayerischen Landtagswahl am 14. Oktober angespannt. Die CSU verlor in den Umfragen nach jedem Streit mit Merkel an Zustimmung. Eine Garantie, dass es ruhiger wird, ist dies nicht.
Baustelle CDU
Auch als CDU-Chefin ist Merkel gefordert. Es gibt viel Unruhe in ihrer Partei. Rückkehr zur Wehrpflicht oder gar eine Dienstpflicht für alle, welche die neue Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer ins Gespräch gebracht hat? Auf der einen Seite gibt es die konservative Werteunion. Auf der anderen Seite die Union der Mitte, die Merkel den Rücken stärkt. Merkel will sich Anfang Dezember auf dem CDU-Parteitag zur Wiederwahl stellen.
Kampf um Europa
Auch auf europäischer Bühne sind viele Probleme zu lösen, allen voran der bevorstehende Brexit, der Deutschland weiter beschäftigen wird. In der nächsten Woche werden Balkanländer in Berlin zu Besuch sein, am Montag Bosnien-Herzegowina, am Freitag Montenegro. Bei beiden Ländern geht es um eine Annäherung an die EU. Am kommenden Dienstag stellt sich Merkel in Jena einem Bürgerdialog zur Zukunft Europas.
Treffen mit Erdogan
Er kommt zwar erst Ende September, doch auch der Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Ende September wird eine große Herausforderung für Angela Merkel. Wie soll man ihn empfangen? Wird Erdogan in Deutschland wieder einen großen Auftritt vor seinen Anhängern planen? Das ist noch unklar, aber amtlich ist schon, dass es Unruhen geben wird: Die kurdische Gemeinde hat bereits zu einer Großdemonstration vor dem Brandenburger Tor aufgerufen. Präsident Erdogan wird den Wunsch nach einer Vertiefung der Zollunion im Gepäck haben, Deutschland wird um die Freilassung der 49 in türkischer Haft sitzenden Deutschen kämpfen.