Schwäbische Zeitung (Biberach)
Diademus: Alles nur geklaut?
Das Festival in Roggenburg dreht sich vom 26. August bis 2. September um Plagiate
ROGGENBURG - Noch vor einigen Monaten hatte Benno Schachtner davon gesprochen, seinem DiademusFestival im Kloster Roggenburg diesen Sommer ein etwas reduziertes Programm zu verordnen. Davon kann inzwischen keine Rede mehr sein: Zwar fehlen im Aufgebot für 2018 berühmte (und damit kostspielige) Ensembles, sonst aber geht der gebürtige Illertisser Schachtner wieder aufs Ganze.
Kleiner ist das Festival für Alte Musik zwar nicht unbedingt, aber kürzer. Statt über gut zwei Wochen sind die Veranstaltungen nunmehr über acht Tage verteilt: Das Eröffnungskonzert findet am Sonntag, 26. August, statt, das große Finale steigt am Sonntag, 2. September, dazwischen gibt es noch eine weitere Auflage des intimen Formats „Nachtaktiv“(31. August) und das Abschlusskonzert des parallel zum Festival stattfindenden Meisterkurses für Gesang (Donnerstag, 30. August, 20 Uhr, Bibliothek). Es bleibt also bei vier Terminen. Und die kürzere Laufzeit, die unter anderem einem Terminkonflikt mit dem „Tag des offenen Denkmals“geschuldet ist, sieht Schachtner auch positiv: „Dann kommt mehr Festivalatmosphäre auf.“
Dazu dürfte auch beitragen, dass Diademus in seinem dritten Jahr erstmals mit einem Open-Air-Konzert startet: Im Innenhof des Kloster erklingt dann unter anderem Antonio Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“(Sonntag, 26. August, 16 Uhr). Der 1725 veröffentliche Violinkonzert-Zyklus ist eines der bekanntesten musikalischen Werke des Barocks – allerdings nicht so, wie er in Roggenburg zu hören sein wird. Denn dort erwartet das Publikum eine Bearbeitung von Nicolas Chédeville für Blockflöte, Drehleier und andere Instrumente, dargeboten von dem Südafrikaner Stefan Temmingh, der Kanadierin Tobie Miller und weiteren Instrumentalisten.
Die ungewöhnliche Zusammenstellung steht für die gesamte Idee des dritten Roggenburger Festivals: Denn dieses dreht sich unter dem Motto „Plagiat, Kopie, Parodie – gestohlen?“um das Thema Diebstahl in der (Alten) Musik. Denn Urheberrechtsverletzung galt in früheren Jahrhunderten, lange vor der Erfindung der Gema, bestenfalls als Kavaliersdelikt. „Der Komponist steht noch nicht lange über der Musik“, erklärt Schachtner, „bis zur Frühklassik stand der Interpret im Vordergrund.“Beim Festival wolle er zeigen, wie frei einst mit Musik umgegangen wurde. Und wie viel Spaß das manchmal bedeute. Das Thema setzt sich fort bei „Nachtaktiv“(Freitag, 31. August, 19 Uhr), das 2018 nur aus zwei, dafür umfangreicheren Programmpunkten bestehen wird. Dann wirkt auch ein guter Bekannter mit: Kay Metzger. Der neue Intendant am Theater Ulm ist so etwas wie der Entdecker Schachtners. Er verschaffte dem Countertenor 2010 in Detmold sein erstes Opernengagement. In Roggenburg rezitiert Metzger im Chorraum aus Fjodor Dostojewskis „Der Großinquisitor“, dazu improvisiert der Musiker Sebastian Bartmann, ausgehend von einem barocken Stück, auf Truhenorgel, Cembalo und Synthesizer. An diesem Abend, so der Festivalorganisator, reise man musikalisch durch alle musikalischen Epochen. Den zweiten Teil von „Nachtaktiv“im Refektorium bestreitet die Renaissance-Gruppe Capella de la Torre mit Katharina Bäuml (Schalmei) und Margaret Hunter (Sopran) unter der Überschrift „Moment mal, das kenne ich doch?!“– ein Streifzug durch die Intertextualität in der Alten Musik.
Diese, so Schachtner, dürfe man nicht dogmatisch betrachten. Es seien gerade der freie Umgang und die neuen Arrangements, die die Musik lebendig machten. Oder einfach gesagt: die Emotion, die damals so wichtig gewesen sei wie heute. Sichtund hörbar wird dies beim Abschlusskonzert (Sonntag, 2. September, 16 Uhr), das der Festivalintendant selbst leiten wird. Unter dem Motto „Pasticcio“stellt der 33-Jährige ein Oratorium zusammen – die Bestandteile, weltlich wie kirchlich, stammen von Komponisten wie Bach, Händel oder Telemann. Es soll aber kein „Best of“der Alten Musik werden, sondern eine echte Handlung haben und von der Seele erzählen, die mit Gott vereint sein möchte. Den instrumentalen Teil gestaltet das Händelfestspielorchester aus Halle, singen wird ein von Schachtner zusammengestelltes zehnköpfiges Diademus-Vokalensemble, dessen Mitglieder auch die Solopassagen übernehmen. Mit allen Sängern verbinde ihn eine Geschichte. „Ich suche nach einem neuen Chorklang“, so der Musikalische Leiter, „und ich bin mir sicher, dass wir ihn finden.“