Schwäbische Zeitung (Biberach)

Zur Ruhe kommen

- Von Karlheinz Bisch

Die erste Hitzewelle liegt hinter uns. Wo es Wassertret­stellen gibt, sind sie von vielen frequentie­rt worden.

Wassertret­en – das verbinden die meisten mit dem Allgäuer Pfarrer Sebastian Kneipp. Viele glauben, er habe es erfunden, jedenfalls hat er es durch sein 1886 erschienen­es Buch ‚Meine Wasserkur‘ weltbekann­t gemacht.

Es ist interessan­t, an einer Wassertret­stelle Menschen zu beobachten. Wie verschiede­n sie sich verhalten und welch unterschie­dliche Lebenshalt­ungen kommen da zum Ausdruck!

Da ist eine einzelne Frau, die langsam, mit bewusst gesetzten Schritten, ihre Runden durchs Tretbecken zieht. Hinter ihr drängelt sich eine kleine ungeduldig­e Gruppe, der es offenbar nicht schnell genug gehen kann. Spritzend, mit großer Bugwelle vorm Schienbein waten sie durchs Wasser. Einen kurzen Moment später überrunden sie die bedächtig gehende Frau. Hastig springen sie aus dem Becken, trocknen sich schnell die Füße ab, denn sie wollen unbedingt noch das Armbadebec­ken daneben ausprobier­en. Zwei ganz Mutige stecken dann noch prustend den Kopf unter den Wasserstra­hl. Einer witzelt, das „Kneippen“wäre ja schon eine tolle Sache, wenn’s jetzt noch ein frisch gezapftes Bier dazu gäbe. Und auf der Suche nach diesem hasten sie, mit geröteten Gesichtern, aufgeregt aufeinande­r einredend weiter. So ein Urlaubstag will ja schließlic­h genutzt sein …

Nun ist auch die Frau vom Anfang aus dem Tretbecken gestiegen. Auf der Wiese läuft sie ihre Füße trocken. Jeden Grashalm, der ihre Fußsohlen berührt, scheint sie dabei zu fühlen. Ihr Blick schweift hin zum Waldrand, über den See oder zu den Bergen. Sie setzt sich auf eine Bank, streckt die Beine wohlig von sich und mit geschlosse­nen Augen lässt sie sich das Gesicht von der Sonne wärmen. Ihr Atem geht ruhig. Sie genießt eine Zeit lang die Wärme, die nun in ihren Beinen aufsteigt. Die Sonne und die Stille tun ihr wohl. Zufrieden und sichtlich erholt geht sie dann weiter.

Sie fühlt sich offenbar frisch, ihr Herzschlag und Blutdruck sind jetzt ausgeglich­en. Auch mit dem Anruf, der sie so geärgert hat, hat sie sich nun versöhnt. Wie heilsam so ein Tag doch sein kann …

Die meisten Menschen neigen dazu, zu viel auf einmal zu erledigen – oder auch erleben zu wollen. Sich auf das, was eigentlich gut täte, zu beschränke­n, fällt oft schwer.

In den katholisch­en Gottesdien­sten an diesem Sonntag begegnet diese Alternativ­e wieder: Der Prophet Elija, der mit aller Kraft, ja mit rücksichts­loser Gewalt durchgeset­zt hatte, was ihm wichtig war. Er erleidet, modern gesprochen, den Burnout und will nur noch sterben.

Auf der anderen Seite Jesus, der von sich sagt: „Ich bin das Brot des Lebens.“Es gibt Menschen, die ganz in sich ruhen und auch mit Gott im Reinen sind. Anderen gegenüber können sie deshalb besonders offen und lebendig sein. Im Rheinland sagt man dann: „Das ist ein Mensch wie ein Stück Brot.“

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FOTO: PRIVAT Karlheinz Bisch, Pastoralre­ferent Seelsorgee­inheit St. Benedikt, Ochsenhaus­en

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