Schwäbische Zeitung (Biberach)
Eine Industrieanlage als Nachbar
Neues am Bundeswehrstandort Ummendorf – Wie nah dürfen neue Wohngebiete heran?
UMMENDORF - Was bedeutet es für die Bürger, für Eigentümer und für die Baulandentwicklung in Ummendorf, dass die Bundeswehr in der örtlichen Galvanikanlage mit chemischen Stoffen arbeitet? Auf Einladung der Gemeinde sollen Fachleute bei einer Bürgerversammlung nach den Sommerferien Auskunft geben. Dass es gerade jetzt dazu kommt, hat mit neuen Informationen über geplante Brandschutzverbesserungen zu tun – und mit dem Bundestagsabgeordneten Martin Gerster (SPD), der sich auf Bitten der Gemeinde danach erkundigte.
Die Bundeswehr betreibt auf dem Kasernengelände seit Langem eine Galvanikanlage, Ende 2010 wurde deren umfangreiche Modernisierung abgeschlossen. „Bei einem Störfall, der höchst unwahrscheinlich ist, könnten Chemikalien austreten“, sagt Reinhold Magerl von der Aufsicht beim Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw). Das ist nichts Ungewöhnliches, die Galvanotechnik wird auch bei zivilen Gütern eingesetzt und genauso verarbeiten Unternehmen für andere Zwecke Chemikalien. Je nach Stoffen und Mengen unterliegen solche Betriebe der Störfall-Verordnung; sie gibt Sicherheitsmaßnahmen vor. Die Bundeswehr ist laut Magerl davon ausgenommen, „aber wir erfüllen alle rechtlichen Anforderungen“analog dazu.
Älteres Gutachten für Schleifweg
Obwohl schon heute auf sehr hohem Niveau, solle der Brandschutz weiter aufgerüstet werden: Eine Sprinkleranlage soll Feuer im Gebäudeinnern, nah am Gefahrenherd, mit Sprühnebel bekämpfen. Für die Gemeinde ist dies von hohem Interesse, denn allen Sicherheitsvorkehrungen zum Trotz bringt die Galvanik Einschränkungen mit sich: Für neue Wohngebiete gilt ein „Achtungsabstand“von circa 900 Metern rund um die Anlage. Die Zahl stammt aus einem Gutachten, das im Hinblick auf ein vor circa fünf Jahren anvisiertes Baugebiet Schleifweg II erstellt worden war. Daran orientierten sich die Verantwortlichen im Rathaus, was mehrfach öffentlich zur Sprache kam. Zugleich hatten sie nach den Worten von Bürgermeister Klaus Bernd Reichert „die berechtigte Hoffnung, dass sich dieser Radius durch die Sprinkleranlage massiv verringern würde“– seinen Angaben zufolge genährt durch den laufenden Austausch mit Vertretern des Ummendorfer Bundeswehrstandorts.
Diese Hoffnung erhielt mittlerweile einen Dämpfer: Die Frage eines Rats nach dem Stand der Dinge reichte Reichert im Januar an die Bundestagsabgeordneten weiter, denn bei Bauvorhaben auf dem Militärgelände wird die Gemeinde nicht förmlich beteiligt, bestätigt ein BAIUDBw-Sprecher. Gerster, Mitglied im Verteidigungsausschuss, nahm sich des Anliegens unverzüglich an und erfuhr von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), dass sich der Einbau des Sprinklers verzögert: Bis voraussichtlich März 2021 werde es dauern, schreibt die Ministerin in einem Brief vom 20. Februar – ein Jahr länger als
ursprünglich geplant. Vom beamteten Staatssekretär Gerd Hoofe erhielt Gerster im Juli überdies die Auskunft, dass sich der Abstand zwischen Neubaugebieten und der Galvanikanlage durch den Sprinkler wohl nicht so deutlich verringern wird wie von der Gemeinde erwartet. Laut Gersters Wiedergabe soll „von vielleicht 100 Metern“weniger die Rede gewesen sein. Offiziell heißt es auf Anfragen beim Ministerium und beim BAIUDBw, dass jede Zahl „spekulativ wäre“. Schon allein deshalb, „weil die
gesetzlichen Vorgaben ständig in Bewegung sind“. Ob und wie sich der Achtungsabstand ändere, könne nur ein neues Gutachten nach Abschluss der Brandschutzertüchtigung zeigen.
Entwicklungsachse nach Westen
Wer sich die Lage der Kaserne vor Augen führt, kann die Bedeutung dieser Frage für die Gemeinde ermessen. Zwar ist ein Baugebiet Schleifweg II (in Verlängerung des Schleifwegs Richtung Tennisplätze) kein Thema mehr, es wurde 2018 aus dem Flächennutzungsplan
gestrichen. Aber potenzielle Wohnbauflächen am Wettenberger Weg sind weiter drin. Und auch wenn die Gemeinde momentan das Wohngebiet Heidengäßle erschließt und die Option für ein Gebiet Kienlen offen hält, so blieb nach Reicherts Worten „die bauliche Hauptentwicklungsachse von Ummendorf für die nächsten Jahrzehnte“vom Wettenberger Weg in Richtung Schweinhausen doch stets im Blick. Dies würde ohne Verringerung des Achtungsabstands erschwert.