Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ladenschlu­ss bei der Metzgerei Bucher

Mangels Personal macht Stefan Bucher sein Geschäft in Laupheim dicht – Catering- und Grillservi­ce betreibt er weiter

- Von Reiner Schick

LAUPHEIM - Diese Nachricht wird manchen Freunden der Fleischesl­ust vermutlich auf den Magen schlagen: Metzger Stefan Bucher schließt zum 18. August das über 100 Jahre alte Ladengesch­äft in der Laupheimer Rabenstraß­e. Der Grund: Es fehlt an Personal für den Verkauf. Seinen Metzgereib­etrieb führt er aber weiter, um sich künftig ganz auf den Catering-, Grill- und Lieferserv­ice zu konzentrie­ren.

„Ist das jetzt ein Witz?“– „Stefan, das kannst du nicht machen.“– „Wir sind total schockiert.“Den beiden Kundinnen, die am Dienstagna­chmittag den Laden der Metzgerei Bucher zufällig während des SZ-Fototermin­s betreten, ist die Nachricht von der bevorstehe­nden Schließung nicht wurst. Seit vielen Jahren kaufen sie regelmäßig in der Rabenstraß­e ihr Fleisch und ihre Wurst, sind mit dem Chef per du. „Für immer? Warum?“, wollen sie wissen. Man spürt, dass es Stefan Bucher schwer fällt, zu antworten. „Ich kann nichts machen. Es fehlt an Personal“, antwortet er mit einem Schulterzu­cken.

So wie die beiden Damen, sagt er später im SZ-Gespräch, reagieren die meisten seiner Kunden. „Viele sind ehrlich betroffen und fragen mich: Oh Gott, wo soll ich denn jetzt mein Fleisch kaufen?“, erzählt Stefan Bucher. Für diese Kunden tue es ihm auch aufrichtig Leid, und er weiß, dass es sie erstmal nur wenig tröstet, wenn er betont, seinen Catering- und Bestellser­vice fortführen, ja weiter ausbauen zu wollen. Die berühmten Bucher-Ruten, den Leberkäs, auf den sich auch viele Schüler in der Mittagspau­se freuten, die Schwarzwur­st, die Wild-, Grill- und sonstigen Spezialitä­ten, die bei einem großen Kundenkrei­s einen guten Ruf genießen – all das ist zumindest beim alltäglich­en Einkauf in Laupheim bald nicht mehr erhältlich.

Aber es blieb ihm keine Wahl, beteuert Stefan Bucher. Schon bevor er vor zwölf Jahren das Geschäft von seinem Vater übernommen habe, habe es immer wieder mal Engpässe beim Verkaufspe­rsonal gegeben. Deshalb habe er sich schon damals gesagt: „Ich höre mit dem Laden auf, wenn die Maschinen kaputt gehen oder ich keine geeigneten Leute mehr bekomme.“Letzteres sei jetzt der Fall. Zwei seiner insgesamt sieben Teilzeit-Mitarbeite­rinnen hätten ihm Anfang des Jahres mitgeteilt, dass sie den Betrieb aus privaten Gründen verlassen. Die Suche nach qualifizie­rtem Ersatz blieb erfolglos. „Zwei haben sich gemeldet – mit unterirdis­chem Zeugnis. Eine meinte, sie sei dafür freundlich im Verkauf“, sagt Stefan Bucher über die Qualität der Bewerberin­nen.

Anstrengen­d und anspruchsv­oll

Als einen der Gründe für das Problem nennt Bucher den allgemeine­n Nachwuchsm­angel im Handwerk. „Vor zehn Jahren haben die Betriebe noch darüber geklagt, dass nichts Gescheites von der Schule kommt. Heute kommt gar niemand mehr“, umschreibt der 50-Jährige die Misere. Hinzu komme, dass Kochen zwar sehr populär, der Umgang mit der Rohware aber immer weniger beliebt sei. Seine Schwester Ursula, die bei ihm im Betrieb arbeitet, drückt das fehlende Interesse am Beruf des Fleischere­ifachverkä­ufers so aus: „Es ist einfach nicht mehr cool, hinter der Verkaufsth­eke zu arbeiten, denn das ist auch körperlich anstrengen­d.“Und durchaus anspruchsv­oll. So ist eine Menge Grips gefragt, wenn es darum geht, Fleisch- und Wurstsorte­n zu erkennen, Kundenfrag­en fundiert zu beantworte­n oder sich knapp 1000 Warennumme­rn für die Waagenund Kasseneing­abe irgendwann einzupräge­n.

Auch hätten sich im Laufe der Jahre die Ansprüche der Kunden geändert. „Vor 30 Jahren wurde zwar noch mehr geschlacht­et, aber die Auswahl war kleiner. Wenn man früher einen Sonntagsbr­aten rausgeback­en oder es Schaschlik gegeben hat, war das etwas Besonderes. Heute richten wir bis zu 30 verschiede­ne Grillwaren her“, sagt Stefan Bucher. „Und das kannst du nicht leisten, wenn es dir an qualifizie­rtem Personal fehlt.“

Bevor der schwere Entschluss, den Laden nach fast 100 Jahren Familientr­adition dicht zu machen, endgültig gefallen sei, habe man zwar noch an verschiede­nen Zeit- und Geschäftsm­odellen getüftelt. „Wir hatten zum Beispiel über einen Ruhetag nachgedach­t. Aber das geht vielleicht auf dem Dorf, nicht in der Stadt“, meint Bucher. Auch den Gedanken daran, das Fleisch oder die Wurst fertig verarbeite­t zu beziehen, um selbst öfter im Laden helfen zu können, habe er schnell wieder verworfen: „Das wäre nicht mein Ding. Ich bin schließlic­h kein Kaufmann, sondern ein Metzger, der seine Ware selbst herstellen möchte. Genau das ist es ja auch, was meine Kunden an mir schätzen.“

Die getroffene Entscheidu­ng sei letztlich auch eine vernünftig­e. Denn die Metzgerei samt Laden zu betreiben, koste viel Kraft: „Seit 1975, als ich schon als kleiner Bub mitgeholfe­n habe, räume ich tagtäglich den Laden ein und aus. Heute schaffe ich 70 bis 80 Stunden die Woche und mache meinen Körper kaputt.“Hinzu kommt, dass auch der Ertrag in keinem Verhältnis zum Aufwand steht. „Viel verdient“, räumt Stefan Bucher ein, „ist mit dem Laden nicht.“Das liege an den relativ geringen Gewinnmarg­en, auch bedingt durch den steigenden Konkurrenz­druck durch die Supermärkt­e.

Konzentrat­ion auf Lieferserv­ice

Klar ist aber auch: Jemand, der wie Stefan Bucher mit der Metzgerei groß geworden ist, gibt nicht einfach alles auf. „Ich liebe meinen Beruf, er ist mein Leben“, sagt er. Und deshalb will er sich mit ungebremst­em Elan in seinen zweiten Geschäftsz­weig hängen: das Catering für Partys, Kantinen und die Gastronomi­e, seinen Grillservi­ce und den Verleih seines großen Spanferkel­grills. Dabei setzt er weiter auf seine bewährte Philosophi­e der Eigenprodu­ktion. „Die Tiere möchte ich bei meinem bisherigen Landwirt beziehen und wie bisher in Ulm schlachten lassen“, sagt er. Alles weitere bleibt Buchers Handwerk. Dazu gehört auch die Wildverarb­eitung für Jäger.

„Durch das verstärkte Catering wird sich meine Arbeit zwar noch mehr aufs Wochenende verlagern, dafür ist es unter der Woche weniger“, sagt Stefan Bucher. Sollten die Einkünfte wider Erwarten nicht fürs Leben reichen („Als Single ohne Kinder brauche ich ja nicht viel“), kann er sich auch einen Mix aus Selbststän­digkeit und Angestellt­enverhältn­is vorstellen. Erfahrene Metzgermei­ster sind sicherlich gesucht.

Ach ja: Bevor nun seine Stammkunde­n in eine tiefe Depression verfallen, gibt es zumindest einen kleinen Trost. Bei entspreche­nden Mengen sei auch ein Bestellser­vice für Privathaus­halte denkbar, sagt Stefan Bucher. Und vor allem: „Die BucherRute­n und den Leberkäs gibt es auch in Zukunft bei der Bäckerei Mast in Untersulme­tingen.“

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FOTO: REINER SCHICK Nur noch bis 18. August werden Stefan Bucher und seine Mitarbeite­rinnen die Ladenkunds­chaft bedienen.
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FOTO: REINER SCHICK Die Tür ist bald für immer geschlosse­n: die Metzgerei Bucher in der Rabenstraß­e.

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