Schwäbische Zeitung (Biberach)
Fernweh Ade – Paradies vor der Haustür
Die Kehrles aus Bellamont arbeiten seit Jahrzehnten an ihrem Garten – ein Herzensprojekt
BELLAMONT - Wozu groß verreisen, wenn das Paradies nur einen Fußtritt entfernt liegt? Gabi und Theo Kehrle aus Bellamont machen einen Schritt aus ihrer Haus- oder Terrassentür und stehen mittendrin – auf 1200 Quadratmetern haben sie sich ihren Garten angelegt. Für Gabi Kehrle ist es ein selbst geschaffenes Paradies. Und Langzeitprojekt. Denn jedes Jahr hat sie neue Ideen, wie sie ihren Garten umgestalten kann.
Wer auf das Grundstück der Kehrles zusteuert, kann die volle Pracht ihres Gartens auf den ersten Blick nur erahnen. Er ist durch Hecken, Bäume, Steine und ein kleines Stück Holzzaun abgeschirmt. Allein durch das Eingangstor können Besucher einen ersten Blick ins Innere erhaschen. Hier werden sie gleich von zwei freundlichen Gesichtern empfangen, die Theo Kehrle in zwei Buchenstämme geschnitzt hat. Zwei große Obstbäume stehen mitten auf der Wiese: Einer trägt Birnen, der andere Äpfel. „Ich fühle mich hier geborgen. Versteckt, aber nicht eingeengt“, sagt Gabi Kehrle.
Mit dem Hausbau vor 40 Jahren hätten sie und ihr Mann das Gärtnern angefangen. „Stauden sind mein Steckenpferd, damit hat alles begonnen“, sagt Kehrle. Die Gartenarbeit sei ihr Hobby. Ab dem Frühjahr verbringt Gabi Kehrle bis zum Herbst jeden Tag im Garten. „Gleich morgens fange ich an mit der Pflege, dann immer mal wieder eine Stunde zwischendurch.“Wie viel Zeit sie insgesamt im Garten verbringe, weiß Kehrle nicht. Letztlich kommt es ihr darauf auch gar nicht an: „Viele sehen nur die Arbeit. Klar, das ist wie Fitnessstudio. Aber man muss dankbar sein für die Vielfalt, all die Farben und Formen der Natur.“
Neues Zuhause für Igel
„Gartenfreuden – sehen, staunen, danken.“Dieser Spruch ziert ein Schild auf der Terrasse und erinnert die Kehrles jeden Tag aufs Neue daran, dass sich ihre Arbeit lohnt. „Wir bieten hier auch vielen Insekten ein Zuhause. An unserem Lieblingsplatz hat sich ein Igel eingenistet“, erzählt Gabi Kehrle. Von der Terrasse aus führen Pflastersteine zum liebsten Rückzugsort der Kehrles. Der Boden ist rund gepflastert, eine Buchenhecke umgibt Tisch und Stühle, eine Glyzinie dient als Dach. Hier essen die Kehrles oder genießen das Treiben in ihrem Garten: „Letztens waren bestimmt 30 Schwalben hier und sind immer wieder abgetaucht, um Wasser aus dem Teich aufzunehmen. Das war ein richtiges Schauspiel“, sagt Theo Kehrle.
Dem Elektriker steht die Freude ins Gesicht geschrieben, wenn er über seinen Garten spricht. „Das ist alles Marke Eigenbau.“Theo Kehrle lacht. Neben den Holzfiguren hat er einen kleinen Brunnen gebaut oder einen Wassertank im Gewächshaus installiert. Er packt gerne mit an. Bei der Planung der Gartengestaltung überlässt er jedoch seiner Frau das Ruder. Gabi Kehrle plant jedes Beet genau. Die Pflanzen sucht sie nach Standort und Farbe aus. „Ich mag gesetztere Farben. Blau, Lila und Rosa.“ Knallig wird es dagegen im Gemüsegarten. Neben Sonnenblumen wachsen hier Johannis-, Stachel-, Heidelund Brombeeren für das Frühstücksmüsli. Außerdem hat Gabi Kehrle Rettich, Frühlingszwiebeln, Kohl, Zucchini und Kürbis in Beeten angepflanzt. Im Gewächshaus nebenan züchtet sie Tomaten und Gurken. „In den Sommermonaten kaufe ich kein Gemüse und Obst ein. Ich richte meinen Speiseplan ganz nach unserem Gemüsegarten aus.“Morgens werden die Zutaten frisch geerntet, mittags landen sie im Kochtopf. „Es schmeckt einfach besser. Das gibt ein ganz anderes Aroma“, ist Gabi Kehrle überzeugt. Sie ist probierfreudig: „Ich habe in diesem Jahr zum ersten Mal Minikiwis und Sprossenbrokkoli angepflanzt. Da musste ich die Samen extra online bestellen.“
Die Füße hochlegen und genießen? Könne sie auch, sagt Gabi Kehrle. Gerade jetzt zur Sommerzeit. An Urlaub in der Ferne sei nicht zu denken. „Das ganze Jahr über arbeitet man am Garten. Dann verreise ich ja nicht ausgerechnet dann, wenn es am schönsten ist.“Sie und ihr Mann verlagerten ihre Urlaube meist in den Herbst. In der Regel dauerten diese auch nur ein paar Tage.
Garten als Ganzjahresprojekt
Im Winter macht sich Gabi Kehrle an die Planung für das kommende Jahr. „Dann lese ich Gartenzeitschriften und erstelle ein Konzept.“Dazu ziehe sie sich ins Haus zurück. In ihrem kleinen Paradies kehrt in diesen Monaten weitestgehend Ruhe ein. Nur im Gewächshaus gibt es einen Umbruch: „Da pflanzen wir überall Feldsalat an.“
Beobachtet man Gabi Kehrle in ihrem Garten, wird deutlich: schon jetzt sprießen die Ideen. Gerade jetzt nach der anhaltenden Trockenphase läuft sie die Beete mit kritischem Blick ab: „So schlimm hat es noch nie ausgesehen.“Die Hortensien sind vertrocknet, genauso wie ein Rasenabschnitt. Den möchte sie am liebsten herausreißen, zupflastern oder mit Kies auffüllen. Kehrle nimmt es jedoch gelassen: „Dadurch lerne ich auch dazu. Für später weiß ich, welche Pflanze die Hitze besser verträgt und welche nicht.“