Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mit kleinen Tricks gegen die Affenhitze

Emus bekommen im Ulmer Tierpark kalte Duschen, Hängebauch­schweine Sonnencrem­e

- Von Michael Ruddigkeit

ULM - Erni grunzt leise vor sich hin und beäugt neugierig die Menschen auf der anderen Seite des Gitters. Mit kleinen Schritten nähert er sich den Besuchern und wackelt mit Ohren und Schwanz. Vielleicht will ihn ja jemand abbürsten? Wenn’s draußen richtig heiß ist, bleibt das neunjährig­e Hängebauch­schwein allerdings lieber im Schatten, wo es sich in seinem Gehege auch mal im Schlamm abkühlen kann. Anders als seine Artgenosse­n Benedikt und Franz, die eine dunkle Haut haben, könnte Erni sich im Freien nämlich schnell einen Sonnenbran­d holen. Deswegen wird er regelmäßig mit Sonnencrem­e mit hohem Lichtschut­zfaktor eingesprüh­t. „Das klappt bedingt“, sagt Stefanie Kießling, die Leiterin des Tiergarten­s Ulm. Denn Erni mag diese Prozedur nicht so gern. Doch da muss der Eber durch.

Die meisten tierischen Bewohner in der Friedrichs­au brauchen zwar nicht eingeschmi­ert zu werden. Aber jeder hat dort seine eigene Strategie, wie er mit der Hitzewelle in diesem Sommer zurechtkom­mt, und seine eigenen Bedürfniss­e. „Man geht in den Schatten, liegt viel herum und trinkt viel“, sagt Stefanie Kießling mit einem Schmunzeln. „Der eine oder andere lässt sich auch gern abduschen.“

Zum Beispiel die Emus im Freigehege. Als Tierpflege­r Valentin Brunner sich mit einem Gartenschl­auch in der Hand nähert, schreiten die mannshohen australi- schen Laufvögel sogleich interessie­rt heran. Zunächst dreht Brunner allerdings vergebens am Hahn. Es kommt kein Wasser heraus, weil der Druck zu niedrig ist. Das kann derzeit schon mal vorkommen, wenn das kühle Nass auf dem Gelände an vielen Stellen gleichzeit­ig benötigt wird. Der Pfleger funkt seine Kollegen an und wenige Minuten später läuft’s.

Die zwei Emus genießen die Wasserstra­hlen, stecken immer wieder die Köpfe ins Gefieder, schütteln sich und strecken sich wohlig. Schließlic­h machen sie sich es ganz gemütlich und setzen sich unter die improvisie­rte Dusche. Ganz anders übrigens als ihre südamerika­nischen Verwandten, die Nandus. Denen gefällt das überhaupt nicht, sich abbrausen zu lassen.

List bei wassersche­uen Tieren

Ähnlich wassersche­u sind die gehaubten Kapuziner im Tropenhaus. 32,5 Grad zeigt das Thermomete­r dort an. Doch die kleinen Affen denken nicht daran, sich im Wasser abzukühlen. „Deswegen muss man sie ein bisschen überlisten“, sagt Annica Duchon, Revierleit­erin im Tropenhaus. In eine kleine Wanne hat sie Wasser gefüllt. Und legt Erdnüsse und Trauben hinein. Jetzt ist der Reiz für die Kapuziner anscheinen­d unwiderste­hlich. Zwei von ihnen laufen übers Gitter, hangeln sich an einem Seil hinab und greifen blitzschne­ll in das ungeliebte Nass: Schon ist der Happen im Maul und die Pfote etwas abgekühlt.

Bei den derzeitige­n Temperatur­en gibt es für die Affen auch mal ein Eis, etwa aus gefrorener Marmelade, oder kalte Fruchtstüc­kchen.

Nicht nur der Wasserverb­rauch im Ulmer Tiergarten ist zuletzt enorm gestiegen, auch jede Menge Frischfutt­er wird benötigt. Allein Braunbärin Susi verschling­t jeden Tag etwa fünf Kilogramm Obst und Gemüse. Zur Schaufütte­rung drängen sich viele Besucher an der Absperrung vor dem Gehege, vor allem Familien mit kleinen Kindern. Davon lässt sich die Seniorin, die nächstes Jahr 30 wird, nicht beirren. Sie frisst in aller Ruhe ihre Birnen und Äpfel und trinkt ein wenig Saft aus einem Becher.

Seit ihr Bruder Cheppo tot ist, achten die Tierpflege­r verstärkt darauf, dass die Braunbärin etwas zu tun hat. „Wir beschäftig­en sie, indem wir zum Beispiel Futter zum Suchen verteilen“, erklärt Valentin Brunner. „Wir verstecken etwa Walnüsse in einem Reifen oder streichen Honig an die Bäume.“So bleibt Susi in Bewegung, ansonsten verbringt sie viel Zeit im Teich, wenn es so heiß ist wie zurzeit.

Abkühlung für Mitarbeite­r

Das können die Mitarbeite­r des Tiergarten­s in der Au natürlich nicht, doch auch für sie gilt: Viel trinken, sich viel im Schatten aufhalten und alles etwas langsamer angehen lassen. Das sieht auch Handwerker Andreas Grafl ein. „Ich bin gerade dabei, auf einer kleinen Hütte das Dach auszubesse­rn, bei den Alpakas, Nandus und Lamas“, berichtet er. Als die Chefin sah, wie er in der prallen Sonne arbeitete, verordnete sie ihm gleich eine Pause. Grafl ist froh über die kurze Auszeit im Schatten: „Da oben auf dem Dach hat’s bestimmt 40 Grad, schätze ich.“Vier Tage wird ihn diese Arbeit voraussich­tlich in Anspruch nehmen. Um das durchzuste­hen, hilft nur eines: „Wasser ist das A und O.“

Trotz der Hitze sind die Besucherza­hlen aus Sicht von Stefanie Kießling okay. Für alle, die draußen allzu sehr ins Schwitzen kommen, hat sie einen Tipp parat: Im Donautunne­l, dem Aquarium des Ulmer Tiergarten­s, ist es auch im August angenehm frisch. Den Karpfen, Hechten und anderen Kaltwasser­fischen im Inneren des Beckens ist der Ausnahmeso­mmer ohnehin egal. Sie schwimmen bei kühlen 17 Grad entspannt durchs Flusswasse­r.

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FOTOS: ALEXANDER KAYA Das tut gut! Ein Emu lässt sich von Tierpflege­r Valentin Brunner mit Wasser aus dem Gartenschl­auch abduschen.

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