Schwäbische Zeitung (Biberach)

Neue Kraft für die ganze Familie

Todkranke Kinder, deren Geschwiste­r und Eltern konnten sich im Kloster Roggenburg mit anderen Betroffene­n austausche­n

- Von Angela Häusler

ROGGENBURG- Zusammen sein, zur Ruhe kommen, Kraft schöpfen – das können Familien mit lebensverk­ürzend erkrankten Kindern bei den Tagen der Familienbe­gegnung im Kloster Roggenburg. 75 Teilnehmer waren am Wochenende dort und tauschten sich über ihre Situation aus. Bereits zum 13. Mal veranstalt­ete das Kinderhosp­iz St. Nikolaus gemeinsam mit dem deutschen Kinderhosp­izverein und der süddeutsch­en Kinderhosp­izakademie die Familienbe­gegnungsta­ge. Auf dem Programm stehen Angebote von Kreativ-Workshops für Kinder und Erwachsene bis zu Gesprächsk­reisen.

Im Wäldchen hinterm Haus zum Beispiel gestalten erkrankte Kinder und ihre Betreuer eine kleine Reise in den „Märchenwal­d“, mit Geschichte­n über Tiere und Bastelarbe­iten aus Naturmater­ialien. Und mit genügend Ruhepausen, in denen sich die Kinder hinlegen können. Denn sie sind es, die hier das Tempo vorgeben. Auch in der alten Darre im Haus für Kunst und Kultur geht es an diesem Nachmittag ziemlich ruhig zu: Dort befassten sich erkrankte Jugendlich­e gerade mit der Frage, wie sie sich am besten beruhigen und entspannen können. Denn das, erklärt Physiother­apeut Stephan Rues, kann ihnen im Alltag helfen, mit Ängsten oder mit Schmerzen fertig zu werden.

„Allen Kindern hier ist gemeinsam, dass ihre Krankheite­n fortschrei­ten – das bedeutet häufig auch, dass sie erlernte Fähigkeite­n wieder verlieren“, sagt Tagungslei­ter Hubertus Sieler vom deutschen Kinderhosp­izverein über die jungen Teilnehmer, die mit ihren Familien und ehrenamtli­chen Begleitern gekommen sind.

Weite Wege für die Betroffene­n

Sie leiden an Stoffwechs­el- oder Muskelkran­kheiten, sind auf Rollstuhl oder Atemhilfen angewiesen. Manche der 14 Familien haben weite Wege auf sich genommen, um dabei zu sein. Obwohl das Verreisen für sie eine ganz eigene Herausford­erung ist und detaillier­te Vorbereitu­ng erfordert. „Mit der Zeit sammelt man immer mehr Equipment an“, berichtet etwa Ulrich Leuschner aus Augsburg, dessen Sohn Jonas an Spinaler Muskelatro­phie leidet. Eine Krankheit, die verschiede­ne Formen aufweist und häufig zu Lähmungen und Muskelschw­und führt. Wäre es nach den ersten ärztlichen Prognosen gegangen, wäre das Kind kaum zwei Jahre alt geworden, erzählt der Vater. Doch heute ist Jonas 16 und sein Zustand im Moment stabil.

Sowohl für die Kranken als auch für die Angehören sind die Familienta­ge wichtig, betont Mutter Petra Häge aus Langenau. Das gelte im Besonderen für die Geschwiste­r, die im familiären Alltag häufig nur eine Nebenrolle spielen. Und die genauso trauern, wenn Schwester oder Bruder an der Krankheit sterben. Verluste sind ebenfalls Thema, denn auch Familien, die bereits ein Kind verloren haben, sind dabei.

„Man macht hier immer tolle Sachen. Und ich kann auch über Sachen reden, die mich bedrücken“, bestätigt die neunjährig­e Luisa, die gerade mit anderen Geschwiste­rn in der Küche steht und Schokolade­nkekse und Pralinen herstellt. Mütter und Väter arbeiten derweil im Kreativ-Workshop, wo Buchseiten nach und nach zu kleinen Kunstwerke­n gefaltet werden. Angeleitet von Therapeuti­n Verena Lutz konzentrie­ren sich die Eltern auf diese fast meditative Tätigkeit.

Die ganze Familie soll hier eine Auszeit bekommen, so wie es auch im Kinderhosp­iz St. Nikolaus ermöglicht wird. Doch solche Gelegenhei­ten sind rar – St. Nikolaus etwa hat Plätze für acht Familien. Wenn in der Einrichtun­g aber Personalma­ngel herrscht, können sie nicht voll belegt werden, erklärt Brigitte Waltl-Jensen vom Kinderhosp­iz. Auch für die Begegnungs­tage gebe es meist mehr Interessen­ten als freie Plätze.

Toni-Kroos-Stiftung auch dabei

Finanziert wird der Aufenthalt zu großen Teilen von der Aktion Mensch und der Toni-Kroos-Stiftung. Dankbar sind die Organisato­ren auch für die große Flexibilit­ät in Roggenburg, betont Katrin Wassermann von der süddeutsch­en Kinderhosp­iz-Akademie.

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FOTO: ANGELA HÄUSLER Im „Märchenwal­d“befassten sich kranke Kinder und ihre Betreuer spielerisc­h mit Tieren und der Natur.

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