Schwäbische Zeitung (Biberach)
Noch Hunderte Lehrstellen im Kreis offen
Mehr Stellen als Bewerber – In welchen Branchen Betriebe noch Azubis suchen.
1.●September bedeutet BIBERACH - Der auch in diesem Jahr wieder für viele Schulabgänger den Beginn einer Ausbildung. Das Bewerbungsverfahren ist bei den meisten Unternehmen zwar bereits beendet, dennoch sind im Kreis Biberach noch 487 Lehrstellen unbesetzt. Vor allem im Einzelhandel, im Handwerk und in der Gastronomie suchen die Betriebe teils händeringend Nachwuchs.
Seit Jahren ist die Situation auf dem Ausbildungsmarkt ähnlich: Es gibt mehr Lehrstellen als Bewerber. So zählte die Agentur für Arbeit für den Kreis Biberach im Juli 1598 Lehrstellenangebote und 1333 Bewerber. „Jetzt folgen in der Regel nur noch wenige Nachzügler, daher wird sich an den Bewerberzahlen vermutlich nicht mehr viel ändern“, sagt Frank Groll, stellvertretender Pressesprecher der Agentur für Arbeit in Ulm. 372 Bewerber haben noch keinen Ausbildungsplatz, gleichzeitig sind 487 Lehrstellen unbesetzt. Wie lässt sich dieses Missverhältnis erklären?
Groll sieht den Grund für diese Situation in sogenannten Passungsproblemen: „Auf der einen Seite findet die Bewerberseite keine passenden Plätze. Auf der anderen Seite finden die Unternehmen nicht die passenden Bewerber.“Dies lasse sich anhand eines Beispiels erklären: Im Sektor Einzelhandel sind momentan 39 Stellen unbesetzt und trotzdem noch 21 Bewerber ohne Ausbildungsplatz. Rein statistisch sei das Ganze zwar auszugleichen. „Aber in der Realität sieht das leider ein bisschen anders aus“, erläutert Groll.
Ein wenig Flexibilität mitbringen
Beispielsweise ist für den potenziellen Azubi der Anfahrtsweg zu weit oder der Arbeitgeber lehnt den Bewerber wegen zu schlechter Noten ab. Oft scheine es dann so, als gebe es keine Alternativen. Doch wer genau hinschaut, der werde auch fündig, sagt Groll. Es helfe auch, sich im selben Berufsfeld nach ähnlichen Berufen zu erkundigen. „Die Ausbildung zum Industriekaufmann und die zum Kaufmann in Groß- und Außenhandel sind beispielsweise sehr ähnlich zueinander“, sagt Groll. Wer also ein wenig Flexibilität mitbringt und bereit ist, sich anzupassen, habe eine Chance auf einen Ausbildungsplatz.
Dass die meisten Azubis minderjährig sind und noch keinen Autoführerschein besitzen, sieht Groll nicht als Problem an. „Ich kenne Betriebe, wo am Schwarzen Brett Fahrgemeinschaften aushängen. Oder die Eltern bringen ihre Kinder vor Beginn der eigenen Arbeit zum Betrieb, wenn möglich.“Andererseits gebe es noch den öffentlichen Nahverkehr. Auf dem Land müsse man sich zwar besser organisieren, aber wichtig sei es dann, sich im Vorfeld über die Rahmenbedingungen zu informieren.
„Außerdem denken Jugendliche mit Abitur leider oftmals, sie müssten zwingend studieren“, so Groll. Dabei sei nicht gewiss, mit einem Studium besser zu fahren als mit einer Ausbildung. Die Aufstiegschancen bei einer Ausbildung seien mindestens genauso hoch, in manchen Bereichen sogar noch höher als mit Studium, sagt der Pressesprecher. „Besonders im Handwerk werden Fachkräfte, aber auch Führungskräfte sowie Unternehmensnachfolger gesucht. Insbesondere Azubis haben hier gute Chancen.“Auch im Einzelhandel könne man aufsteigen. Man solle sich bei der Berufswahl auch nicht das schlechte Image eines Berufs zum Kriterium machen, sagt Groll. „Viel wichtiger ist, dass man einen Beruf lernt, für den man sich geeignet fühlt und der zufrieden macht.“Denn wer seinen Beruf mit Freude ausübt, der habe auch Erfolg.
Frank Groll rät jedem Bewerber, sich im Vorfeld gewissenhaft über den angestrebten Beruf zu informieren. Alles andere sei nur noch eine Frage der Eignung. Wer jetzt noch keine Lehrstelle hat, kann sich noch bei der Agentur für Arbeit melden. „Wir bieten jederzeit Beratungen an und vermitteln auch noch über den 1. September hinaus. Uns ist wichtig, dass kein Jugendlicher auf der Strecke bleibt“, so Groll. Ansonsten helfe auch die Industrie- und Handelskammer Ulm weiter.