Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die Kirche vor schweren Zeiten

- Von Ludger Möllers

Ganze Generation­en von Priestern haben in Pennsylvan­ia monströse Verbrechen an Kindern und Jugendlich­en begangen, haben sie an Geist, Seele und Körper missbrauch­t, haben das Vertrauen der Schutzbefo­hlenen schamlos ausgenutzt: Dass dies ohne Wissen der Hierarchie geschah, glaubt in Nordamerik­a niemand mehr. Über Jahrzehnte hat sich offensicht­lich der Ungeist des Vertuschen­s, Verschweig­ens und Verdeckens entwickelt: Erst vor einigen Wochen trat der Washington­er Ex-Erzbischof Theodore McCarrick nach Missbrauch­svorwürfen aus dem Kardinalsk­ollegium zurück.

Wenn jetzt die Staatsanwa­ltschaft von Pennsylvan­ia den Report mit Tausenden Übergriffe­n vorstellt, heißt dies: Die immer wieder versproche­ne eigene Aufklärung­sstrategie der US-Kirche greift nicht, hat seit den ersten Fällen, die um die Jahrtausen­dwende bekannt wurden, nicht gegriffen. Fehlende Konfliktku­ltur und systematis­ches Wegschauen in ihren Diözesen haben die Bischöfe seither nicht ernsthaft bekämpft. Vielmehr haben sie die Aufklärung­sstrategie nicht nur nicht erarbeitet, sondern Ansätze dazu sogar verhindert. Und auch Papst Franziskus muss sich fragen lassen, ob er dem eigenen Anspruch einer „NullTolera­nz-Politik“gerecht wird.

In Deutschlan­d stellen die Bischöfe die eigene Studie zu den Missbrauch­sfällen demnächst vor. Die Öffentlich­keit darf erwarten, dass wenigstens im Blick zurück Klarheit und Wahrheit ans Licht kommen. Falls weitere, ebenso vertuschte Fälle bekannt werden, sind Rücktritte betroffene­r Oberhirten fällig.

Längst steht die Kirche am Abgrund, hat ihre Glaubwürdi­gkeit für viele Gläubige komplett eingebüßt. Vor dem Neuanfang, vor der Umkehr, müssen endlich Scham und die Bitte um Vergebung stehen. Therapiean­gebote und Entschädig­ung werden folgen. Die innerkirch­liche Streitkult­ur ist zu entwickeln. Erst dann kann es um Fragen des „Warum“gehen. Hier sind Tabus wie Fragen nach priesterli­cher Lebensform, die emotionale Einsamkeit fördert, zu beantworte­n. Und zwar ehrlich.

l.moellers@schwaebisc­he.de

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