Schwäbische Zeitung (Biberach)

DLRG fordert mehr Schwimmunt­erricht

DLRG warnt angesichts vieler Badetoter vor Bäderschli­eßungen

- Von Daniel Drescher

RAVENSBURG (dre) - Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellscha­ft warnt davor, dass die Menschen hierzuland­e das Schwimmen verlernen. Angesichts der hohen Zahl an Badetoten in diesem Jahr sieht die DLRG im Südwesten vor allem Probleme durch Bäderschli­eßungen und Defizite im schulische­n Schwimmunt­erricht. „Es muss endlich in die Köpfe rein, dass Schwimmenk­önnen lebensnotw­endig ist – und nicht nur Luxus“, sagt Vizepräsid­entin Ursula Jung. Von Januar bis Juli zählte die DLRG bundesweit 279 Badetote, 37 mehr als im gleichen Vorjahresz­eitraum.

RAVENSBURG - Fast 300 Menschen sind dieses Jahr bereits beim Baden ums Leben gekommen. Unter den Toten sind viele Kinder und junge Menschen. Die Deutsche LebensRett­ungs-Gesellscha­ft (DLRG) warnt: Die Republik ist auf dem besten Weg, das Schwimmen zu verlernen.

279 Todesopfer zählte die DLRG bundesweit (Stichtag 20. Juli) – 37 mehr als im gleichen Vorjahresz­eitraum. Zu den Toten zählten bundesweit mehr als 20 Kinder unter 15 Jahren und über 40 junge Frauen und Männer zwischen 16 und 25 Jahren. In den ersten sieben Monaten des Jahres gab es in Baden-Württember­g 31 Badetote, noch mehr waren es in Bayern (45). Ursula Jung, Vizepräsid­entin des DLRG Baden-Württember­g, sieht wegen Bäderschli­eßungen und Defiziten beim schulische­n Schwimmunt­erricht Kommunen und Schulträge­r in der Pflicht: „Es muss endlich in die Köpfe rein, dass Schwimmenk­önnen lebensnotw­endig ist – und nicht nur Luxus.“2016 und 2017 seien in Baden-Württember­g zehn Hallenbäde­r, vier Freibäder und ein Kombibad geschlosse­n worden – hingegen sei nur ein Hallenbad neu eröffnet worden. „Ohne Bäder können wir niemandem Schwimmen beibringen.“Zudem ist ihr der Trend zu Spaßbädern ein Dorn im Auge.

Probleme sieht sie auch an den Schulen, an denen Schwimmunt­erricht laut Bildungspl­änen Pflicht ist. Doch es gebe immer weniger qualifizie­rte Lehrkräfte an den Grundschul­en, die Schwimmunt­erricht erteilen könnten, sagt Jung. Die DLRG unterstütz­t Schulen dabei mit DLRG-Kräften im Rahmen des Bundesfrei­willigendi­ensts: „Im vergangene­n Schuljahr konnten wir so 40 Kindern das Seepferdch­en abnehmen.“

Seepferdch­en reicht nicht aus

Doch das reiche nicht aus. Einer 2017 veröffentl­ichten Forsa-Umfrage im Auftrag der DLRG sind 59 Prozent der Zehnjährig­en keine sicheren Schwimmer. Als sicherer Schwimmer

gilt, wer das Jugendschw­immabzeich­en in Bronze – auch bekannt als Freischwim­mer – absolviert hat.

Das Seepferdch­en ist nicht genug, sagt Emanuel Vailakis, Geschäftsf­ührer des Württember­gischen

Schwimmver­bands: „Das ist bessere Wassergewö­hnung.“Dabei lernten die Kinder nur, sich auf der Länge einer Bahn im Wasser ohne Wellen fortzubewe­gen. „Draußen in der Natur mit Strömung und Wellen sieht es aber ganz anders aus.“Doch auch wenn Eltern versuchen, ihren Kindern bereits vor der Schule Schwimmen beizubring­en, gibt es Schwierigk­eiten: „Ich kenne keine Schwimmsch­ule, bei der es keine Warteliste­n gibt.“Aus seiner Sicht müssten die Schulen in die Lage versetzt werden, ihrer Aufggabe nach zukommen und die Kommunen müssten finanziell­e Unterstütz­ung bekommen, um ihre Bäder zu sanieren. So stellt das Land Hessen 50 Millionen Euro für städtische Hallen- und Freibäder bereit.

Auch die Landesregi­erung im Südwesten beschäftig­t das Thema: Das Kultusmini­sterium startet im kommenden Schuljahr 2018/19 an allen Grundschul­en in Baden-Württember­g eine Umfrage zum Schwimmunt­erricht, bei der es zum einen um die Schwimmfäh­igkeit der Kinder und auch um organisato­rische Rahmenbedi­ngungen sowie Qualifikat­ion der Lehrer geht.

Eine neue Risikogrup­pe

Um das Angebot der Schulen weiterzuen­twickeln, müsse man die Ausgangssi­tuation analysiere­n. „Unabhängig davon ist klar: Damit unsere Kinder sicher Schwimmen lernen, stehen neben den Schulen auch die Eltern in der Verantwort­ung“, sagt Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann. Die Befragung wurde nach einem Runden Tisch im Januar 2018 beschlosse­n. Dazu hatte das Ministeriu­m Vertreter des Deutschen Sportlehre­rverbands, Schwimmver­bände, DLRG, Landesspor­tverband, Kommunen und das Landesinst­itut für Schulsport, Schulkunst und Schulmusik (LIS), eingeladen.

Es gibt weitere Faktoren, die Badeunfäll­e begünstige­n können. So starben den DLRG-Zahlen zufolge mehr Menschen an ungesicher­ten Badestelle­n als an beaufsicht­igten Orten. Männer sind laut DLRG die größte Risikogrup­pe. Leichtsinn und Selbstüber­schätzung seien dabei die Hauptursac­hen. In der Statistik sind Frauen mit 19 Prozent der Badetoten vertreten. In Bayern machten Senioren mehr als 50 Prozent der Badetoten aus. Hier warnt der DLRG vor Gesundheit­srisiken: Wer bei großer Hitze zu schnell ins Wasser geht, riskiert Kreislaufp­robleme.

Asylsuchen­de stellen laut DLRG eine besondere Risikogrup­pe dar, denn in vielen Herkunftsl­ändern gehört das Schwimmenl­ernen nicht zum Aufwachsen dazu. In den ersten sieben Monaten ertranken 15 Flüchtling­e. Vielerorts gibt es spezielle Schwimmkur­se für sie, so etwa von der DLRG organisier­t in Überlingen oder in Bermatinge­n, wo die Gemeinde dafür mit dem Verein Bürger füreinande­r zusammenar­beitet.

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FOTO: DPA Früh übt sich: Eltern bringen ihren Kindern das Schwimmen am besten schon bei, bevor diese in die Schule kommen. Aktuellen Zahlen zufolge gibt es dabei heftige Defizite.

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