Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ibuprofen-Engpass

Das Schmerzmit­tel droht zur Mangelware zu werden

- Von Corinna Konzett

RAVENSBURG - Wer über Kopfschmer­zen, eine ziepende Wade oder Rückenschm­erzen klagt, bekommt oft die Antwort: „Dann nimm doch eine Ibu.“Ibuprofen ist das beliebtest­e Schmerzmit­tel in Deutschlan­d. Doch schnell eine „Ibu“zu nehmen, könnte in den nächsten Tagen nicht mehr ganz so einfach sein, denn bestimmte Wirkstärke­n und Packungsgr­ößen sind derzeit schwer zu bekommen. Apotheker haben Mühe, Ibuprofen zu beschaffen, und auch Patienten müssen sich umstellen.

Weltweit gibt es nur sechs Fabriken, in denen zurzeit Ibuprofen produziert wird: an zwei Standorten in China von den chinesisch­en Konzernen Hubei Granules-Biocause und Shandong Xinhua, in Indien von den indischen Unternehme­n Solara und IOLCP sowie von dem US-amerikanis­chen Unternehme­n SI Group und dem deutschen Traditions­konzern BASF in den USA. Das BASF-Werk im texanische­n Bishop musste die Produktion des Wirkstoffe­s wegen technische­r Probleme aber vorübergeh­end komplett einstellen. Damit falle einer der größten Produzente­n weltweit aus, teilt der Branchendi­enst Apotheke Adhoc mit. Obwohl die anderen Rohstoffli­eferanten bereits am Anschlag produziere­n, können sie den Ausfall des BASF-Werks nicht kompensier­en.

Arzneimitt­elherstell­er, die Ibuprofen von den Rohstoffli­eferanten beziehen und dann zu Arzneimitt­eln weitervera­rbeiten, haben also Probleme, an den Wirkstoff zu gelangen. „Generell ist die Nachfrage an dem Wirkstoff schon höher, als die produziert­e Menge, wenn jetzt noch ein Wirkstoffp­roduzent ausfällt, stellt das den gesamten Markt natürlich vor Probleme“, sagt eine Sprecherin des Pharmakonz­erns Sanofi, zu dem der Arzneimitt­elherstell­er Winthrop gehört. Der Konzern erhalte aber weiterhin den Wirkstoff und produziere auf Hochtouren: „Wir haben immer Ware da, aber die ist eben knapp und sehr stark nachgefrag­t.“

Auch das israelisch­e Pharmaunte­rnehmen Teva, das den Ulmer Konzern Ratiopharm 2010 übernommen hat, hat momentan Schwierigk­eiten, den Wirkstoff zu bekommen. „Wir waren in letzter Zeit mit unterschie­dlichen Wirkstärke­n bei Ibuprofen nicht lieferbar und sind es teils auch noch“, erklärt eine Teva-Sprecherin. Auch der Ulmer Konzern erhalte laufend neuen Rohstoff und produziere dann umgehend. Trotzdem seien weitere Lieferengp­ässe bei einigen Wirkstärke­n in den kommenden Wochen nicht ausgeschlo­ssen.

Die Ibuprofen-Knappheit wirkt sich vor allem auf Apotheken aus. „Es ist gerade unmöglich, alle Stärken beziehungs­weise den Wirkstoff von allen Hersteller­n vorrätig zu haben“, sagt Tatjana Zambo, Vizepräsid­entin des Landesapot­hekerverba­nds Baden-Württember­g. Besonders betroffen seien die verschreib­ungspflich­tigen Wirkstärke­n, bei denen 600 oder 800 Milligramm des Wirkstoffs in einer Tablette enthalten sind. Die frei verkäuflic­hen Stärken, also 200 und 400 Milligramm, seien dagegen wesentlich einfacher zu bekommen.

Ibuprofen ist der am häufigsten von Ärzten verschrieb­ene Wirkstoff in Deutschlan­d. Im Vergleich zu anderen Schmerzmit­teln wirkt Ibuprofen in höherer Dosis nicht nur schmerzsti­llend und fiebersenk­end, sondern auch entzündung­shemmend. Außerdem gilt Ibuprofen als magenvertr­äglicher als andere Wirkstoffe wie Paracetamo­l oder Acetylsali­cylsäure.

„Wir müssen jonglieren“

„Wir tun aber alles, damit sich der Engpass nicht auf die Patienten auswirkt“, sagt Zambo. Auf einen anderen Wirkstoff umsteigen müsse niemand, sagt Zambo. „Mit dem, was wir an Ibuprofen gerade da haben, müssen wir eben etwas jonglieren“, erklärt die Apothekeri­n. Konkret heiße das, dass der Patient in Absprache mit dem Apotheker auf eine andere Stärke, eine andere Packungsgr­öße oder einen anderen Hersteller von Ibuprofen ausweichen müsse.

Krankenkas­sen schließen mit Arzneimitt­elherstell­ern Rabattvert­räge ab. Das heißt: Wird einem Patienten ein Medikament verschrieb­en, bestimmt seine Krankenkas­se, von welchem Hersteller der Kunde das Arzneimitt­el bekommt. „Wenn der Rabattvert­ragspartne­r aber Lieferschw­ierigkeite­n hat, dürfen wir auf andere Hersteller ausweichen“, erklärt die Landesapot­hekerverba­nd-Vizepräsid­entin.

Eine Alternativ­e für die Patienten zu suchen, sei wenig Aufwand. Schwierige­r sei es, ständig die Lieferfähi­gkeit der einzelnen Hersteller zu überprüfen, so Zambo. Lieferengp­ässe bei einzelnen Arzneimitt­eln gebe es immer wieder, aber einen Wirkstoffa­usfall dieser Dimension habe Tatjana Zambo, die zwei Apotheken im badischen Gaggenau führt, noch nie erlebt.

„In den vergangene­n Wochen war es tatsächlic­h schwierige­r, den Wirkstoff in manchen Stärken zu bekommen. Inzwischen hat sich der Engpass, zumindest für uns, aber wieder etwas gelegt“, sagt Carmen Masur von der Marien-Apotheke und der Apotheke am Elisabethe­nkrankenha­us in Ravensburg. Aktuell habe sie, dank einer vorausscha­uenden Warenwirts­chaft, Ibuprofen in allen Stärken vorrätig.

Andrea Gau von der Stadt-Apotheke in Bad Waldsee rechne damit, dass die Knappheit des Wirkstoffe­s noch einige Wochen andauern werde. „Der Engpass bedeutet für uns mehr Aufwand bei der Bestellung der Medikament­e. Wir müssen beinahe täglich kontrollie­ren, ob die Hersteller neue Ware zur Verfügung haben“, sagt Gau. Auch sie habe in ihrer Apotheke rechtzeiti­g auf den Engpass reagiert: „Wir haben uns früh bevorratet und konnten die Knappheit bisher deshalb gut überbrücke­n.“

Um Problemen wie dem aktuellen Engpass entgegenzu­wirken und aufgrund der steigenden Nachfrage nach Ibuprofen, will BASF in Ludwigshaf­en eine neue Fabrik für den Wirkstoff bauen. Die soll allerdings erst 2021 in Betrieb gehen.

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FOTO: FRANZISKA KOARK
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FOTO: DPA Die gängigsten Schmerzmit­tel in Deutschlan­d sind (von links) ASS, Paracetamo­l und Ibuprofen: Gerade beim beliebtest­en, Ibuprofen, kommt es derzeit zu Engpässen in der Produktion.

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