Schwäbische Zeitung (Biberach)
Der Freistaat schiebt die meisten ab
Warum in den Flugzeugen nach Afghanistan so viele Asylbewerber aus Bayern sitzen
RAVENSBURG - In der Nacht auf Mittwoch sind 46 abgelehnte Asylbewerber per Sammelflug von München nach Afghanistan abgeschoben worden, darunter 22 mit rechtskräftigen Verurteilungen. Das bestätigte das bayerische Innenministerium am Mittwochmorgen. In der Maschine seien 25 Flüchtlinge gewesen, die zuletzt in Bayern lebten. Drei kommen aus Baden-Württemberg. Stefan Fuchs beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wer darf nach Afghanistan abgeschoben werden?
Grundsätzlich gilt: jeder, dessen Asylantrag abschließend abgelehnt wurde, der keinen subsidiären Schutz erhält und für den keine Duldung ausgesprochen wurde. Ein generelles Abschiebeverbot nach Afghanistan gilt derzeit nicht. Im Juni hatte die Bundesregierung einen neuen Lagebericht für das Land vorgelegt und Einschränkungen aufgehoben. Mit der Ablehnung eines Antrags durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erfolgt ein Abschiebebescheid. Gegen die Entscheidung können Betroffene allerdings an den Verwaltungsgerichten klagen. Dort wird die Anordnung des Ministeriums überprüft. Wird die Ablehnung bestätigt, bleibt der Abschiebebescheid bestehen. Der Weg in höhere Instanzen ist nur bei neuen grundlegenden Rechtsfragen oder gravierenden Verfahrensfehlern möglich.
Warum ist die Quote aus Bayern höher als aus anderen Ländern?
Derzeit ist Bayern das einzige Bundesland, das, zumindest theoretisch, alle abgelehnten Asylbewerber aus Afghanistan abschiebt. Eine Umfrage des Evangelischen Pressediensts (epd) hat ergeben, dass die meisten Bundesländer die bisherige Abschiebepraxis beibehalten. Demnach werden nur Straftäter, Gefährder oder Identitätsverweigerer nach Afghanistan verbracht. Ausnahmen sind Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern. Während in Sachsen nur Männer und in Mecklenburg-Vorpommern nur Männer ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz abgeschoben werden sollen, gelten in Bayern keine Einschränkungen. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann betont allerdings: „Wer vollziehbar ausreisepflichtig ist und Straftaten in Deutschland begangen hat, stellt hier ein Sicherheitsrisiko dar. Seine Abschiebung hat daher Priorität.“Im Flugzeug nach Kabul saßen am Dienstag 25 Menschen, die sich zuletzt in Bayern aufgehalten hatten. Darunter sieben rechtskräftig verurteilte Straftäter.
Werden aus Bayern auch gut integrierte Menschen abgeschoben?
Oppositionspolitiker, Handwerkskammer und Asylhilfeorganisationen kritisieren die bayerische Praxis. Nach dieser würden auch gut integrierte Arbeitskräfte abgeschoben. Bei vergangenen Sammelabschiebung waren abgelehnte Asylbewerber betroffen, die Ausbildungsangebote vorweisen konnten. Kammern beklagen, dass die bayerische Regierung die Umsetzung der 3+2-Regelung erschwere. Nach dieser können abgelehnte Asylbewerber mit Ausbildungsvertrag für drei Lehrjahre und zwei weitere Berufsjahre in Deutschland bleiben. Laut Herrmann wird jeder einzelne Fall durch die zuständige Ausländerbehörde geprüft. „Die Behörden haben dabei ein besonderes Augenmerk auf Menschen gelegt, die bereits gut integriert sind, weil sie etwa einen Arbeitsplatz haben“, so der bayerische Innenminister.
Wie ist die Lage in Baden-Württemberg?
Die endgültige Entscheidung wird nach Angaben eines Sprechers in jedem Einzelfall durch die Leitungsebene im Innenministerium getroffen. Es würden nur Personen nach Afghanistan abgeschoben, „die entweder Straftäter oder Gefährder sind oder die sich weigern, an der Klärung ihrer Identität mitzuwirken“. Ob das so bleiben wird, ist allerdings unklar. Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“teilte das Ministerium mit, dass die Landesregierung beraten werde, welche Personengruppen künftig nach Afghanistan zurückgeführt werden. In der grün-schwarzen Koalition hatte es dazu über die letzten Jahre immer wieder Meinungsverschiedenheiten gegeben.