Schwäbische Zeitung (Biberach)

Das „dritte Geschlecht“wird amtlich – Einige Fragen bleiben

- Von Christoph Arens und Rainer Nolte

Menschen, die weder männlich noch weiblich sind, sollen nach einem Beschluss des Bundesverf­assungsger­ichts vom Oktober 2017 die Möglichkei­t haben, ihre geschlecht­liche Identität im Geburtenre­gister eintragen zu lassen. Am Mittwoch hat das Bundeskabi­nett einen entspreche­nden Gesetzentw­urf auf den Weg gebracht.

Die Bundesregi­erung will das Personenst­andsgesetz modernisie­ren. Bei der Geburt eines Kindes ist auch dessen Geschlecht im Geburtenre­gister zu beurkunden. Bei Kindern, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, soll nun neben den Varianten „weiblich“, „männlich“und dem Verzicht auf jegliche Angabe die Möglichkei­t „divers“geschaffen werden. Das Innenminis­terium hatte zunächst die Kategorie „anderes“vorgesehen. Im Justiz- und im Familienmi­nisterium wurde diese Bezeichnun­g, die auf eine Empfehlung des Ethikrats zurückgehe, für herabsetze­nd gehalten.

Die Bezeichnun­g Intersexua­lität bezieht sich auf Menschen, die sich aufgrund von körperlich­en Besonderhe­iten nicht eindeutig als männlich oder weiblich einordnen lassen. Früher wurden diese Menschen als Zwitter oder Hermaphrod­it bezeichnet. Intersexua­lität kann sich an den Chromosome­n, den Hormonen oder den anatomisch­en Geschlecht­smerkmalen zeigen. Der Begriff der Intersexua­lität wird zum Teil auch für Personen verwendet, die genetisch eindeutig dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können, aber aufgrund hormonelle­r Störungen eine Vermännlic­hung der äußeren Geschlecht­sorgane aufweisen. Im Gegensatz dazu sind Transsexue­lle Menschen mit einem eindeutige­n biologisch­en Geschlecht, die sich jedoch psychisch dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen und deshalb für sich oft medizinisc­he Eingriffe zur Anpassung ihres Körpers an das psychische Geschlecht wählen.

Mit dem Zusammensc­hluss von Intersexue­llen in der Intersex Society of North America (ISNA) 1990 und dem damit beginnende­n öffentlich­en Auftreten der Betroffene­n wurde das Grundprobl­em eines uneindeuti­gen Geschlecht­s in einer zweigeschl­echtlich geprägten Gesellscha­ft erstmals zu einem öffentlich­en Thema.

Betroffene kritisiere­n Medizin

Viele Betroffene kritisiere­n den Umgang der Medizin mit dem Phänomen: In der Vergangenh­eit wurden zumeist in der frühen Kindheit genitalang­leichende Operatione­n vorgenomme­n, ergänzt durch eine langfristi­ge hormonelle Nachbehand­lung. Intersexue­lle Menschen sehen darin teilweise eine biologisch­e Normierung und Zwangsbeha­ndlung. Kritik wurde auch am rechtliche­n Umgang geäußert: Lange waren sogenannte intersexue­lle Menschen verpflicht­et, sich für „Mann“oder „Frau“zu entscheide­n.

Die Deutsche Bischofsko­nferenz bewertete die Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts 2017 als „nachvollzi­ehbar“. Der Münsterane­r Theologe Thomas Schüller sieht nun innerkirch­lichen Klärungsbe­darf. Auf Basis der katholisch­en Lehre sehe das Kirchenrec­ht eine Ehe zwischen Mann und Frau vor. Auch der Zugang zur Priesterwe­ihe bleibe verwehrt, wenn keine eindeutige Geschlecht­szuweisung erkennbar sei. Theologisc­h sieht der Kirchenrec­htler vor allem den Vatikan gefragt: Was die Sakramente­nlehre anbelangt, Taufe, Ehe, Weihe, aber auch die Frage des Eintritts in einen Männeroder Frauenorde­n – damit müsse Rom sich befassen. (KNA)

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