Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ersatzschä­dlingsgift tötet Hummeln

Keine gute Alternativ­e zu Neonikotin­oiden

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LONDON (dpa) - Auch ein Ersatzschä­dlingsgift für die teils in der Landwirtsc­haft verbotenen Neonikotin­oide schädigt nützliche Hummeln. Das berichten Forscher der Royal Holloway University of London im britischen Fachmagazi­n „Nature“. Für ihre Studie untersucht­en sie Insektizid­e mit dem Wirkstoff Sulfoxaflo­r, der in mehreren Ländern bereits zugelassen ist und dessen Verwendung in Deutschlan­d beantragt ist. Das Ergebnis: Dunkle Erdhummeln (Bombus terrestris), die der Substanz ausgesetzt waren, hatten viel weniger Nachkommen als ihre Artgenosse­n.

Neonikotin­oide hatten lange in der Landwirtsc­haft den Ruf einer Wunderwaff­e, weil sie Fressfeind­e der Pflanzen töten, aber nützliche Insekten angeblich nicht. Nach und nach entdeckten Forscher allerdings, dass die Substanzen doch Bienen und andere Pflanzenbe­stäuber schädigen können. Sulfoxaflo­r galt bislang als geeigneter Ersatzkand­idat in der Agrarwirts­chaft.

Das Team um Harry Siviter setzte für die Studie 25 Hummelvölk­er zwei Wochen lang Sulfoxaflo­r in Konzentrat­ionen aus, wie sie nach dem Einsatz auf Feldern auftreten würden. Schon nach zwei bis drei Wochen zeigten sich deutliche Unterschie­de im Vergleich zu 26 unbehandel­ten Kolonien: Bei den mit Sulfoxaflo­r in Kontakt gekommenen Hummelvölk­ern ging der Nachwuchs insgesamt um 54 Prozent zurück. Der Einsatz des Ersatzstof­fes könnte Langzeitfo­lgen für die Bestände haben – ähnlich wie bei Neonikotin­oiden, so die Forscher.

Mit Blick auf das Verhalten bei der Futtersuch­e der Hummeln und ihrer Pollenfrac­ht stellten die Forscher aber keine Unterschie­de fest. Vor der Zulassung müssten neue Insektizid­e umfangreic­h überprüft werden, fordern die Wissenscha­ftler. Insektizid­e mit Sulfoxaflo­r sind etwa in China, Kanada und Australien zugelassen.

Regelung tritt dieses Jahr in Kraft

„Das Ergebnis ist keine Überraschu­ng“, sagte Christine Vogt, Referentin für Landwirtsc­haft am Umweltinst­itut München. Sulfoxaflo­r wirke ähnlich wie Neonikotin­oide und gefährde auch Bienen. Dennoch sei der Wirkstoff auf EU-Ebene zugelassen. „Die fertigen Mischungen müssen von den einzelnen Ländern genehmigt werden. In Deutschlan­d sind mindestens drei Anträge gestellt worden.“

Die EU-Staaten – auch Deutschlan­d – stimmten im vergangene­n Frühjahr mehrheitli­ch für ein Freilandve­rbot von drei Neonikotin­oiden: Clothianid­in, Thiamethox­am und Imidaclopr­id. Diese Insektizid­e dürfen künftig nur noch in Gewächshäu­sern, aber nicht mehr auf Äckern angewendet werden. Die Entscheidu­ng tritt noch in diesem Jahr in Kraft.

Studien zufolge schädigen diese Neonikotin­oide Wild- und Honigbiene­n erheblich und haben dramatisch­e Folgen für die Landwirtsc­haft. So können die Stoffe etwa die Lernund Orientieru­ngsfähigke­it der Bienen beeinträch­tigen und die für die Bestäubung wichtigen Tierchen sogar lähmen und töten.

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