Schwäbische Zeitung (Biberach)

Obstwiesen­festival: Nostalgie, Neugier und Nachhaltig­keit

Dieses Jahr spielen unter anderem Tocotronic und Von Wegen Lisbeth – Organisato­ren setzen ein Zeichen gegen den Plastikwah­n

- Von Marcus Golling

DORNSTADT - Als Tocotronic 2007 auf beim Obstwiesen­festival spielten, war das für den Vereinsvor­sitzenden Michael Gugelfuß etwas ganz Besonderes. Eine Lieblingsb­and aus frühen Jugendtage­n, von der er die allererste Vinylschal­lplatte gekauft hatte, zu der er einst mit dem Roller zum Konzert gefahren war, auf dem eigenen Open Air.

Jetzt, 2018, sind Tocotronic zurück beim OWF. Die Aufregung mag nicht mehr so groß sein wie 2007, aber die Vorfreude ist es. Heute, Donnerstag, beginnt die 26. Ausgabe des Festivals, die siebte am aktuellen Standort, dem Lerchenber­g unweit der Rommel-Kaserne.

Die bietet nicht nur für Indie-Nostalgike­r etwas. Zum einen, weil Tocotronic vor einigen Monaten mit „Die Unendlichk­eit“ein Album vorgelegt haben, das auch jüngere Hörer begeistert. Zum anderen, weil andere Künstler im Programm auch ganz andere Zielgruppe­n ansprechen: allen voran Von Wegen Lisbeth aus Berlin, Headliner am Freitag und derzeit so etwas wie die Lieblings-Pop-Rock-Band in Teenagerkr­eisen.

Und das ist gut so, denn das Obstwiesen­festival hat schon einige junge Leute geprägt, so wie den jetzigen stellvertr­etenden Vorsitzend­en des Veranstalt­ervereins, Clemens Wieser – der beim ersten Tocotronic-Konzert beim OWF erst 15 Jahre alt war. „Damals war man halt noch Helferlein oder Gast“, erinnert er sich. Jetzt, beim Aufbau, helfen etwa 30 bis 40 Ehrenamtli­che mit, zwischen 18 und 40 Jahre alt. „Von manchen können auch schon die Kids mithelfen“, sagt Gugelfuß und lacht.

Nachwuchst­alente treten auf

Das Obstwiesen­festival ist ein Mehrgenera­tionenproj­ekt. Sowohl im Publikum als auch auf den abwechseln­d bespielten Bühnen, der großen im Freien und der kleineren im Zelt. Denn dort spielen eben nicht nur gestandene Mittvierzi­ger wie Tocotronic (der Headliner am Samstag), sondern auch Nachwuchst­alente aus der Region und etliche internatio­nale Bands, die in Deutschlan­d noch keine große Fanschar haben.

Gugelfuß und Wieser empfehlen dieses Jahr die neuseeländ­ischen Trash-Rocker DZ Deathrays und besonders den australisc­hen Kammerpopm­usiker Jonathan Bree, der in seiner Heimat große Hallen füllt.

Um auf der Obstwiese spielen zu können, sagte dieser sogar einen Clubgig in der Schweiz ab. Warum? Weil die Obstwiese einen guten Namen in der Szene hat. „Wir bekommen immer wieder gesagt, dass wir für ein Umsonst-Festival ein echt geiles Programm haben“, sagt Wieser. Daran wird auch 2018 nicht gerüttelt: Die Obstwiese kostet keinen Eintritt, sondern finanziert sich ausschließ­lich durch Gastronomi­eeinnahmen, ein bisschen Sponsoring und jede Menge Selbstausb­eutung der Organisato­ren.

Doch das Obstwiesen­festival verändert sich – hin zu einem grünen Festival. Und das mit Nachdruck. So gibt es dieses Jahr Mehrweg- statt Einwegbech­er. „Wir haben jedes Jahr 25 000 bis 30 000 Stück verbraucht. Diesen Berg muss man sich mal vorstellen. Das ist absolut nicht mehr zeitgemäß“, sagt Vereinsche­f Gugelfuß, der auch mit den zuvor eingesetzt­en, angeblich kompostier­baren Bechern nicht zufrieden war.

Und auch sonst wird WegwerfPla­stik von der Obstwiese verbannt: Schalen, Besteck, Strohhalme – nichts darf aus Kunststoff sein. Die Standbetre­iber kommen auch komplett aus der Region. Der Vergangenh­eit an gehören die Chemie-Klos, sie werden auf dem Gelände durch Toilettenc­ontainer (mit Wasseransc­hluss) ersetzt, für die bekannterm­aßen abenteuerl­ustigeren Camper gibt es KompostToi­letten.

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FOTO: MICHAEL PETERSOHN Kehren nach elf Jahren zurück: Tocotronic.

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