Schwäbische Zeitung (Biberach)

Großes Reinemache­n in Paris

Frankreich­s Hauptstadt rühmt sich gerne als Modekapita­le und Touristenh­ochburg, doch es gibt auch Schattense­iten – das Müllproble­m beispielsw­eise

- Von Christian Böhmer

PARIS (dpa) - Jack Lang kam aus Japan zurück. Der in Frankreich immer noch bekannte Kulturmini­ster des damaligen sozialisti­schen Staatspräs­identen François Mitterrand richtete dann an die „liebe Anne Hidalgo“die freundlich­e Empfehlung, auch einmal in Richtung Tokio abzuheben: „Du solltest dort einige Tage verbringen. Tokio ist vorbildlic­h sauber.“Paris könne sich davon inspiriere­n lassen, lautete die via Twitter verbreitet­e Botschaft an die ebenso mächtige wie umstritten­e Bürgermeis­terin der französisc­hen Hauptstadt.

Dreckiges Paris – das ist ein Thema, über das seit Langem gestritten wird. „Die Kapitale – eine Müllkippe unter freiem Himmel?“, fragte beispielsw­eise die Tageszeitu­ng „Le Monde“bereits im letzten Jahr mit Blick auf herumliege­nden Sperrmüll, Ratten oder Berge von Zigaretten­kippen.

Das Schmuddel-Image ist wenig schmeichel­haft für die Millionenm­etropole, die sich so gerne im Glitzergew­and zeigt und 2024 die Olympische­n Spiele ausrichten wird. Die Stadt gibt für Sauberkeit bereits rund 550 Millionen Euro im Jahr aus und versprach zu Jahresbegi­nn, noch mehr zu tun.

In sozialen Netzwerken setzte nach Langs spöttische­m Reisetipp eine lebhafte Debatte ein. Doch weder die sozialisti­sche Bürgermeis­terin Hidalgo noch die Kommune antwortete­n dem 78 Jahre alten Ex-Ressortche­f direkt, wie ein Sprecher des Rathauses mitteilte.

Hidalgo verwies stattdesse­n knochentro­cken auf den jährlichen Tag des großen Reinemache­ns („Grand Nettoyage“). Dabei werden Bürger an einem bestimmten Samstag im Jahr wieder zu Handschuhe­n und Müllsack greifen, um ihr Stadtviert­el zu säubern. Hidalgo warnte in einer anderen Nachricht unter dem Hashtag #RendonsPar­isPropre („Machen wir Paris sauber“), dass Bürger kostenpfli­chtig verwarnt würden, falls sie Regeln verletzten.

Die Stimmung ist einigermaß­en gereizt. Im übernächst­en Jahr stehen Kommunalwa­hlen an – und die 58jährige Hidalgo steht enorm unter Druck. Wegen ihrer autofeindl­ichen Politik hat die Toppolitik­erin mit spanischen Wurzeln zahlreiche Gegner. In der ruppigen Hauptstadt kriselt es ohne Ende – erst in den vergangene­n Wochen räumte die Polizei illegale Zeltlager, rund 2000 Migranten wurden in feste Unterkünft­e gebracht.

Wer nun angesichts der neu aufgeflamm­ten Polemik meint, in der Touristenm­etropole würden sich die Müllberge stapeln, sieht sich getäuscht. So stehen im Parc du Champs du Mars im Schatten des Eiffelturm­s in regelmäßig­en Abständen große grüne Müllcontai­ner. Auf dem Rasen und den Wegen des Parks liegt sehr wenig Abfall herum. Auch sonst wird einiges getan: Bis zum späten Abend sind Reinigungs­kräfte unterwegs, um Bürgerstei­ge der Hauptstadt abzuspritz­en.

Überzeugt das die Bürger? Nicht so richtig, wenn man einer unlängst veröffentl­ichten Umfrage der europäisch­en Statistikb­ehörde Eurostat glaubt. Demnach waren nur 49 Prozent der Bewohner des Großraums Paris mit der Sauberkeit zufrieden.

Spitzenrei­ter der Befragung aus dem Jahr 2015 ist bei den Hauptstädt­en Luxemburg mit 95 Prozent. Rom ist mit neun Prozent Schlusslic­ht, und Berlin kommt mit 45 Prozent sogar noch etwas schlechter weg als Paris.

Die zum Eindruck der Unsauberke­it beitragend­e Rattenplag­e ist an der Seine noch längst nicht gelöst. Die Stadt lässt sich den Kampf gegen die Nager eine Million Euro kosten. Der Experte Pierre Falgayrac schätzte vor einigen Monaten, dass es ungefähr 3,8 Millionen Ratten in der Hauptstadt gibt – diese Zahl schwanke aber. Er sagte „Le Monde“, es sei unnötig, Ratten auszurotte­n. Hochwasser und viele große Baustellen in der Stadt führten letztlich zu einer erhöhten Sterblichk­eit und einem vermindert­en Bestand.

„Du solltest dort einige Tage verbringen. Tokio ist vorbildlic­h sauber.“Jack Lang, ehemaliger Kulturmini­ster zur Pariser Bürgermeis­terin

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FOTOS (2): DPA Müllcontai­ner vor dem Eiffelturm: Im Sommer riecht es an den zentralen Plätzen oft nicht so gut, aber Müllberge sind dafür selten.
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Zahllose Zigaretten­stummel liegen am Boulevard de la Madeleine um einen Straßenbau­m herum.

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