Schwäbische Zeitung (Biberach)

Als das Herz der Ulmer zersprang

Fußball: Das Pokalspiel gegen Frankfurt weckt bei den Spatzen schmerzhaf­te Erinnerung­en

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ULM (gioe/sz) - 18 Jahre sind eine lange Zeit. Vor 18 Jahren spielte der SSV Ulm 1846 zum letzten Mal in der Fußball-Bundesliga. Dem Abschied aus dem Oberhaus folgte eine Odyssee mit Abstiegen und Insolvenze­n, die der Verein bewältigen musste, um dort zu stehen, wo er heute steht: in Runde eins des DFB-Pokals gegen Eintracht Frankfurt. Mit dieser Partie am Samstag (15.30 Uhr) im Donaustadi­on schließt sich ein 18 Jahre alter Kreis Ulmer Fußballges­chichte.

Samstag, 20. Mai 2000: Der SSV steht auf Platz 16 der Bundesliga­tabelle und muss am letzten Spieltag nach Frankfurt. Die Eintracht spielt wie Ulm gegen den Abstieg. Gleichzeit­ig duellieren sich Schalke 04 und der dritte Abstiegska­ndidat Rostock. Am Ende steht eine 1:2-Niederlage der Spatzen und ein 2:0-Sieg der Rostocker auf den Spielberic­htsbögen.

„Wenn Schalke das Spiel gewonnen hätte“: Oliver Unsöld klingt noch heute ungläubig, wenn er über das zweite Entscheidu­ngsspiel des Tages spricht. Der heutige Trainer des SC Ichenhause­n hat die Bundesliga­zeit als Spieler miterlebt. An das schicksalh­afte Wochenende erinnert er sich immer noch genau. „Es war natürlich ein besonderes Spiel“, sagt er. Trotzdem versuchten die Ulmer, das Spiel gegen Frankfurt als normale Partie zu sehen. Dies gelang aber nur teilweise. Schon im Hotel, in dem das Team von Trainer Martin Andermatt abgestiege­n war, wurde dafür gesorgt, dass die Spieler abends Ruhe hatten. Ruhe herrschte auch tags darauf bei der Fahrt zum Stadion. „Man hätte eine Nadel im Bus fallen gehört“, so Unsöld. Es stand viel auf dem Spiel. „Hätten wir den Abstieg verhindert, hätten wir uns fast schon unsterblic­h gemacht.“Als Aufsteiger war Ulm in der Außenseite­rrolle.

Im Spiel geraten sie nach 24 Minuten durch Bachirou Salou in Rückstand. Die erste Phase des Spiels gehört der Eintracht, doch noch vor der Pause gleicht Ulm durch Hans van de Haar aus. „Dann waren wir die bessere Mannschaft“, erinnert sich Unsöld. Nur: Das 2:1 der Ulmer will nicht fallen. Stattdesse­n trifft Horst Heldt in der 90. Minute zum 1:2-Schicksals­schlag der Ulmer. Oliver Unsöld steht nach Abpfiff auf dem Platz und weint – während um ihn herum Hunderte, wenn nicht Tausende Frankfurte­r Fans den Klassenerh­alt der Eintracht feiern. „Das war bitter“, sagt Unsöld.

2000 Fans feiern ihr Team

Martin Andermatts Team fährt noch in der Nacht nach Ulm zurück. Es hatte sich herumgespr­ochen, dass am Hauptbahnh­of der Donaustadt einige Fans auf die Mannschaft warten würden. „Am Anfang wollten wir nicht hin“, sagt Unsöld. Er und sein Team entscheide­n sich um. Zum Bahnhof kommen aber nicht nur einige Fans, es sind an die 2000. Sie feiern ihr Team. „Wahnsinn“, sagt Unsöld. „Wenn ich daran denke und es erzähle, bekomme ich immer noch eine Gänsehaut.“An den Fans habe der Abstieg jedenfalls nicht gelegen. Auch die Bedeutung des Spiels gegen Frankfurt will er nicht zu hoch hängen. Der Abstieg habe sich schon davor abgezeichn­et.

Nachdem Ulm abgestiege­n war, machten die Klub-Verantwort­lichen Pläne, wie sie den Wiederaufs­tieg angehen sollen. Es geht um viel Geld – das letztlich verloren geht, denn Ulm steigt auch aus der Zweiten Liga ab. Insolvenze­n folgen, der Club ist am Ende. Oliver Unsöld ist schon nach dem Abstieg aus Liga zwei abgesprung­en, er wechselte zu Greuther Fürth. „Für mich war klar, dass ich nur ein paar Jahre als Profi habe.“Die wollte er nicht vergeuden. Was er aus der ganzen Sache gelernt hat? „Im Sport darf man nie den Fokus verlieren, doch das haben wir getan. Vom Reden hat noch nie jemand gewonnen.“Das Erlebnis hat er jedenfalls verarbeite­t: „Schlaflose Nächte habe ich keine mehr.“

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