Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ringen um den Antrieb der Zukunft
Künstliche Kraftstoffe könnten beim Erreichen der Klimaziele helfen – Doch die Sache hat einen Haken
Wer ein umweltfreundliches Auto kaufen möchte, steht vor der Wahl: Soll es batteriebetrieben sein? Setzt sich doch noch die Brennstoffzelle durch? Ist das Hybridauto das Gefährt der Zukunft? Oder kann man bald fast emissionsfrei fahren trotz Verbrennungsmotor? Spannende Fragen, die auch Experten noch nicht eindeutig beantworten können.
In der Diskussion taucht auch immer wieder eine mögliche Lösung auf, die nicht nur für die Autoindustrie fast zu schön wäre, um wahr zu sein: E-Fuels oder auch der vielzitierte „Wunderdiesel“, ein synthetischer Kraftstoff, der bei der Verbrennung nicht mehr CO2 ausstößt, als bei seiner Produktion verbraucht wurde. Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer macht aber klar: Das EAuto mit Batterie ist nicht aufzuhalten – „das Ding ist nicht mehr zurückzudrehen.“
Schlechter Wirkungsgrad
Denn es sei einfach schon zu viel Geld geflossen – und weitere Milliardeninvestitionen seien notwendig, erklärt Dudenhöffer. In ein paar Jahren würden auch große Akkus, die eine entsprechende Reichweite ermöglichen, für weniger als 10 000 Euro zu haben sein: „Dann ist die teure Brennstoffzelle tot.“Schon seit dem Jahr 2000 habe Daimler immer wieder die Brennstoffzelle angekündigt: „Vergessen Sie’s!“Und bei den E-Fuels sei der Wirkungsgrad noch schlechter als bei klassischen Verbrennungsmotoren, sagt sein Fachkollege Stefan Bratzel.
Warum aber taucht die E-FuelsDebatte dann trotzdem immer wieder auf? Vielleicht, weil die Lösung einfach zu elegant wäre – Verbrennungsmotoren würden weiterhin gebraucht, die Infrastruktur mit den Tankstellen wäre bereits vorhanden, eigentlich müsste sich nicht viel ändern. Der mächtige Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht jedenfalls großes Potenzial, sobald die Kosten im Griff sind. „Erdölunabhängige E-Fuels sind wichtig für das Erreichen der Klimaziele“, heißt es in einer VDA-Stellungnahme. Sie könnten – zusätzlich zu alternativen Antrieben – eine weitere Option für eine „klimaneutrale Mobilität der Zukunft“sein. Weil sie mit Tankstellen und vorhandenen Motoren kompatibel seien, wirkten E-Fuels mit Blick auf die Klimaziele sofort. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie warnt in einem Positionspapier, ohne E-Fuels seien die Klimaziele nicht erreichbar.
E-Fuels sind künstliche Kraftstoffe, die idealerweise mit Ökostrom hergestellt werden sollten. Mittels Elektrolyse wird dabei aus Wasser und Strom zunächst Wasserstoff erzeugt. In Verbindung mit CO2 kann dann Methan produziert werden, das wie Erdgas als Kraftstoff dient. Auch Flüssigkraftstoffe wie synthetisches Benzin oder Diesel sind denkbar.
Die Technologie hat aber mehr als einen Schönheitsfehler: Bislang ist die Herstellung schlicht zu teuer, und CO2-neutral sind E-Fuels nur dann, wenn der eingesetzte Strom tatsächlich zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammt. Das gilt zwar auch für den Strom, den Elektroautos benötigen. Aber: „Ich sehe die überschüssige regenerative Energie nicht“, sagt der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch. Bislang liege der Anteil des regenerativ erzeugten Stroms noch immer im einstelligen Prozentbereich, gleichzeitig wäre die E-Fuels-Produktion vermutlich künftig einer der größten Stromverbraucher, warnt Resch. Nach einer Studie der Deutschen Energie-Agentur im Auftrag des VDA würde der Bedarf an Ökostrom für den EU-Verkehrssektor im Jahr 2050 etwa dem Sieben- bis Zehnfachen der aktuellen jährlichen erneuerbaren Stromproduktion in der EU entsprechen. Und gut 80 Prozent dieses Strombedarfs gingen dann auf das Konto der EFuels.
Ganz verteufeln will Resch den Wunderkraftstoff trotzdem nicht, aber er sei erst der „übernächste Schritt in die Zukunft“. Dann allerdings eher für Transporte im Flugverkehr oder auf der Straße. Bratzel wiederum sieht bei schweren Fahrzeugen auf langen Strecken eine Chance für die Brennstoffzelle.
Dennoch nehmen die Hersteller die synthetischen Kraftstoffe ernst. Und sie forschen mit aller Macht. Volkswagen sieht die Technologie als „grundsätzlich zukunftsträchtig“an, wie Sprecher Peter Weisheit erklärt. „Wir beschäftigen uns intensiv damit.“Jedoch: „Es steht und fällt mit der Verfügbarkeit von regenerativ erzeugtem Strom“, sagt er. Erst mit dem Ausbau der regenerativen Produktion sei es sinnvoll, über große Fabriken nachzudenken.
Vielfalt der Antriebe
Bratzel geht ohnehin nicht davon aus, „dass wir in wenigen Jahren nur von einem Antrieb sprechen“. Batterieelektrische Fahrzeuge dürften künftig vor allem in den Metropolen von ganz zentraler Bedeutung sein – und von den 2020er-Jahren an dürften E-Autos aus seiner Sicht große Anteile gewinnen. 2025 werde ihr Anteil bei 15 bis 20 Prozent liegen.
VW-Sprecher Weisheit gibt zudem zu bedenken, dass das Feld der E-Fuels ein weites sei. Dazu zähle auch E-Gas, das die VolkswagenTochter Audi im niedersächsischen Werlte herstelle. Dort betreibt der Autobauer eine sogenannte Powerto-Gas-Anlage, mit deren Produktion 1500 Autos klimaneutral fahren können.
Volkswagen als weltgrößter Autohersteller will erdgasgetriebene Fahrzeuge voranbringen. Ende vergangenen Jahres gaben die Wolfsburger bekannt, die Zahl der neu zugelassenen Erdgasfahrzeuge in Deutschland liege seit Juli 2017 Monat für Monat deutlich über Vorjahresniveau. Insgesamt dürften 2017 knapp 80 000 Erdgas-Pkw auf deutschen Straßen unterwegs gewesen sein.