Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Manche Leistungen nicht ausgeschöp­ft“

Thema Pflege betrifft Jung und Alt – Pflegepäda­gogin Petra Hybner erklärt.

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BIBERACH - Was tun, wenn die Eltern alleine nicht mehr können oder gar zum Pflegefall werden? Wie bereite ich mich darauf vor? Antworten auf diese Fragen gibt die Pflegepäda­gogin Petra Hybner. Sie berät Betroffene am Pflegestüt­zpunkt im Landratsam­t des Landkreise­s Biberach. Diesen gibt es erst seit Beginn dieses Jahres. Im Interview mit Volontärin Birga Woytowicz spricht Hybner über Irrtümer in der Pflege und erklärt, warum man schon als junger Erwachsene­r vorsorgen sollte.

Vor seiner Installati­on war der Pflegestüt­zpunkt jahrelang umstritten. Spüren Sie jetzt, rund sieben Monate nach seiner Einrichtun­g, einen Bedarf?

Der Bedarf ist da. Das zeigen die Zahlen. Wir dokumentie­ren alle Fälle. Seit Januar sind bei uns insgesamt rund 600 Anfragen eingegange­n und jeden Monat kommen weitere hinzu. Viele schauen auch spontan rein, wenn sie am Gebäude vorbeilauf­en. Die meisten Anfragen kommen direkt aus Biberach, aus den anderen Kreisgemei­nden sind es deutlich weniger. Uns kennt noch nicht jeder. Wir müssen und werden uns in den Städten und Gemeinden noch besser vorstellen.

Wer kommt denn zu Ihnen?

Es sind vor allem Angehörige, die sich Gedanken machen und Hilfe suchen. Teilweise wohnen die aber weit weg. Das Problem dabei ist, dass die Angehörige­n den Handlungsb­edarf mitunter zu spät erkennen. Manchmal muss leider erst etwas passieren, bevor die Betroffene­n selbst die Hilfe annehmen. Gerade die Generation 80 plus lässt ungern Fremde ins Haus, weil sie immer alles selbst gemacht hat. Da tasten wir uns langsam vor. Wir machen deshalb auch gelegentli­ch Hausbesuch­e. Grundsätzl­ich ist eine persönlich­e Beratung immer besser als am Telefon: Man muss den Menschen Infomateri­al zeigen und auch was zum Nachlesen an die Hand geben. Das Thema Pflege ist sehr komplex.

Wann ist also der richtige Zeitpunkt für eine Beratung?

Am besten vor Eintritt der Pflegebedü­rftigkeit, denn dann kann man in Ruhe alle Möglichkei­ten ausloten und besprechen. Wer einen Antrag auf Leistungen der Pflegevers­icherung stellt, muss zum Beispiel zwischen einer Pflegesach­leistung und Geld wählen. Bereits hier bedarf es einer Beratung, denn die Unterschie­de sind in der Regel nicht bekannt. Das Thema Pflege kann aber jeden treffen. Anhaltspun­kte sind aber nicht bloß das Alter oder Vorerkrank­ungen. Wir geben zum Beispiel eine Vorsorgema­ppe mit wichtigen Infos und Musterform­ularen aus. Die hat am besten schon jeder 18-Jährige. Darin sind zum Beispiel auch Vorlagen für eine Vollmacht oder Patientenv­erfügung enthalten. Gerade die Vollmacht ist ein wichtiges Thema: Wenn der Betroffene selbst nicht mehr kann, wer kann dann einen Antrag auf Pflegebedü­rftigkeit stellen? Das kann man nicht früh genug regeln.

Das Thema Pflege betrifft also Jung und Alt gleicherma­ßen. Gibt es sonst noch irgendwelc­he Irrtümer, die sich bei Ihren Beratungen auftun?

Manche Leistungen aus der Pflegekass­e sind unbekannt und werden dadurch nicht ausgeschöp­ft. Dazu zählt zum Beispiel der Entlastung­sbetrag. Der deckt vor allem hauswirtsc­haftliche Hilfen ab. Viele wissen auch nicht, dass die Tagespfleg­e eine zusätzlich­e Leistung ist, oder dass man auch Kurzzeit- oder Verhinderu­ngspflege in Anspruch nehmen kann, wenn man eine stationäre Pflege abwenden möchte. Vereinzelt gibt es auch Leute, die glauben, dass die Pflegekass­e alles übernimmt, sogar eine 24-Stunden-Pflege. Aber das ist unmöglich. Man muss klarstelle­n: Die Pflegevers­icherung bietet Teilleistu­ngen.

Reicht eine Pflegevers­icherung denn aus?

Präventiv, ja. Sie hilft auf alle Fälle, in der Häuslichke­it bleiben zu können, solange es geht. Braucht es aber einen dauerhafte­n Platz im Pflegeheim, dann reicht sie nicht allein aus. Wenn kein Vermögen vorhanden ist, kann man beim Sozialamt auch die Hilfe zur Pflege beantragen. Insgesamt ist das aber eine Frage des Einzelfall­s. Welche Erkrankung liegt vor und welche Pflegeleis­tung beziehungs­weise geeigneten Leistungsa­nbieter gibt es?

Geben Sie einen Überblick oder vermitteln Sie auch direkt?

Wir haben eine Lotsenfunk­tion. Das heißt, wir zeigen verschiede­ne Möglichkei­ten auf, die Angehörige­n nehmen die Organisati­on aber in der Regel selbst in die Hand. Sind Angehörige überforder­t, helfen wir da natürlich. Bei Detailfrag­en verweisen wir auf andere Stellen. Wir können nicht in allem Experten sein. Teils begleiten wir Fälle über Monate. Da rufe ich dann auch an und erkundige mich, wie es läuft. Es ist für uns wichtig zu wissen, was funktionie­rt und was vielleicht auch nicht.

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FOTO: EPD
 ?? FOTO: EPD ?? Wenn Angehörige zum Pflegefall werden, braucht es schnell einen passenden Leistungsa­nbieter.
FOTO: EPD Wenn Angehörige zum Pflegefall werden, braucht es schnell einen passenden Leistungsa­nbieter.
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FOTO: BIRGA WOYTOWICZ Petra Hybner

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