Schwäbische Zeitung (Biberach)

Weniger Geld für Notaufnahm­en

Kassen zahlen kleinen Kliniken womöglich bald kein Geld für Notfallpat­ienten mehr

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Viele Krankenhäu­ser im Südwesten bangen um die Finanzieru­ng ihrer Notaufnahm­en. Vor allem kleine Kliniken befürchten, künftig weniger Geld für den Betrieb zu bekommen oder sogar Zuschläge zahlen zu müssen, wenn sie bestimmte Anforderun­gen des Gemeinsame­n Bundesauss­chuss (GBA) nicht erfüllen. Das neue Stufenkonz­ept teilt Notaufnahm­en in drei Kategorien. Zahlreiche Häuser erfüllen aber nicht einmal die Anforderun­gen für die niedrigste Stufe. Nach Angaben des Landkreist­ages könnte dies in etwa der Hälfte der rund 200 Akutkranke­nhäuser der Fall sein.

STUTTGART - In jeder dritten deutschen Klinik ist die Notaufnahm­e gefährdet. Werden aktuelle Pläne aus Berlin eins zu eins umgesetzt, stehen auch in Baden-Württember­g viele Krankenhäu­ser vor einem Problem: Ihre Notaufnahm­en würden nicht mehr von den Krankenkas­sen finanziert. Kleine Kliniken müssten sogar Zuschläge zahlen, weil sie Mindestanf­orderungen nicht erfüllen. Das könnte auch Häuser in der Region treffen.

Das neue Konzept für die Versorgung von Notfällen kommt vom Gemeinsame­n Bundesauss­chuss (GBA). Darin sitzen Vertreter von Ärzten, Kliniken, Versicheru­ngen und Patienten. Das Gremium beschließt, welche Leistungen die Krankenkas­sen zahlen – und welche nicht. Im Auftrag der Bundesregi­erung erarbeitet der GBA nun die neuen Pläne. Der Grund: Bislang reicht das Geld von den Krankenkas­sen oft nicht aus, um die Kosten für die Versorgung von Notfallpat­ienten zu tragen. Gleichzeit­ig soll es Qualitätsk­riterien für die Notaufnahm­en geben. Befürworte­r argumentie­ren: Gute Behandlung­en setzen gewisse Bedingunge­n voraus – und auch gewisse Fallzahlen. Nur, wer oft Notfallpat­ienten hat, verfügt über ausreichen­de Praxis mit ihnen. Darum sei nicht jedes kleine Krankenhau­s die beste Adresse für Notfälle.

Die Pläne des GBA sehen Folgendes vor: Künftig gibt es demnach drei Stufen der Notfallver­sorgung. Krankenhäu­ser in der niedrigste­n Stufe leisten eine Basisverso­rgung, in Stufe drei eine umfassende. Die Anforderun­gen betreffen mehrere Bereiche, unter anderem die Zahl der Intensivbe­tten, die Zahl und Art der medizinisc­hen Fachabteil­ungen sowie die technische Ausstattun­g. Nur ein Krankenhau­s, das die Anforderun­gen erfüllt, bekommt von den Krankenkas­sen Zuschläge für Notfallbeh­andlungen.

100 Häuser im Land betroffen

Der GBA hat bereits ausgerechn­et, was das bedeutet. Demnach erfüllen deutschlan­dweit mehr als 620 von derzeit gut 1900 allgemeine­n Krankenhäu­sern nicht einmal die Anforderun­gen der ersten Stufe. Allerdings entfallen auf diese laut GBA nur fünf Prozent der Notfallpat­ienten; nicht alle nehmen an der Notfallver­sorgung teil. „Rechnet man das auf Baden-Württember­g herunter, erfüllen etwa die Hälfte der rund 200 Akutkranke­nhäuser die Vorgaben für die Basisverso­rgung nicht“, sagt Alexis von Komorowski, Chef des Landkreist­ages.

Das bedeutet nicht nur, dass sie keine Zuschläge mehr für Notfallpat­ienten bekommen. „Diese Häuser müssten nach jetzigem Stand auch noch Abschläge zahlen, weil sie nicht mehr an der Notfallver­sorgung teilnehmen“, warnt von Komorowski. Vor allem kleine Häuser in ländlichen Regionen wären betroffen. Notfallpat­ienten würden dort zwar nicht abgewiesen. Das verbiete die gesetzlich­e Hilfspflic­ht. Doch voll ausgestatt­ete Notaufnahm­en müssten die Krankenhau­sträger selbst zahlen – oder schließen. Die Träger sind entweder in der Regel Landkreise oder private Unternehme­n wie Sana. Auch Rettungswa­gen könnten ihre Patienten nicht mehr in solche Häuser bringen, sondern müssten Standorte in der Umgebung anfahren.

Allerdings gibt es eine Hintertür. Die Bundesländ­er können einzelne Kliniken zu Notfallkra­nkenhäuser­n erklären, wenn andernfall­s in einer Region die flächendec­kende Versorgung gefährdet scheint. Diese würden dann keine Abschläge zahlen.

Spielraum für Interpreta­tionen

Noch weiß niemand genau, welche Krankenhäu­ser in welche Stufe eingruppie­rt werden. Die Vorgaben des GBA sind detaillier­t und bieten Spielraum für Interpreta­tionen. Dem Vernehmen nach soll es im September im Stuttgarte­r Gesundheit­sministeri­um ein Gespräch dazu geben. Bis dahin wollen Landkreise, Kliniken und Kassen eruieren, wer nach ihrer Ansicht in welche Stufe fällt. Derzeit laufen auch in Berlin Gespräche. Die Krankenhäu­ser versuchen, zumindest die Abschlagsz­ahlungen für jene Kliniken abzuwenden, die nicht einmal die erste Stufe der Notfallver­sorgung bieten können.

Betrachtet man die Kriterien des GBA, könnten in der Region einige Häuser Probleme bekommen. Dazu zählen die Standorte Bad Waldsee, Spaichinge­n, Riedlingen, Laupheim, Bad Saulgau, Pfullendor­f und Langenau. Sie haben vor allem zu wenige Intensivbe­tten oder gar keine Intensivst­ation. Auskunft über die Ausstattun­g der Krankenhäu­ser in Weingarten und Tettnang konnte das Klinikum Friedrichs­hafen auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“über Wochen nicht geben.

Die übrigen Verantwort­lichen in der Region verweisen auf die laufenden Verhandlun­gen. Der Tenor: Es besteht kein Anlass zur Panik, doch noch ist die finanziell­e Zukunft kleiner Notaufnahm­en offen. An einigen Häusern wie etwa in Bad Waldsee wäre es mit einigen Anschaffun­gen und Veränderun­gen möglich, die Anforderun­gen für die Basisverso­rgung zu erreichen.

Doch dazu müsse geklärt werden, wer das zahlt, sagt Bernd Einwag, Chef der Baden-Württember­gischen Krankenhau­sgesellsch­aft: „Das Konzept des GBA ist nachvollzi­ehbar. Es stellt Kriterien für die apparative­n und personelle­n Ausstattun­gen der Notaufnahm­en auf. Wenn die neuen Anforderun­gen in den Notaufnahm­en Investitio­nen erfordern, müssen diese dann aber auch gegenfinan­ziert werden und dürfen nicht an den Krankenhäu­sern hängen bleiben.“

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FOTO: IMAGO Zentrale Notaufnahm­e einer Klinik: Ein neues Konzept sieht Qualitätss­tandards vor, die viele Krankenhäu­ser nicht erfüllen können.

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