Schwäbische Zeitung (Biberach)
Mobilfunkmast auf Schuldach: Gegner funken Alarm
In Sießen regt sich Widerstand gegen den geplanten Standort – Kritik an Informationspolitik der Gemeinde
SIESSEN IM WALD - Ein Mobilfunkmast der Telekom soll die mangelhafte Netzabdeckung in Sießen im Wald beheben. Für Ende September ist der Bau geplant, doch es regt sich Widerstand aus der Bevölkerung gegen den Standort des Masts: Dieser soll auf dem Schulhaus in Hörenhausen montiert werden. Die Kritiker fürchten eine Gesundheitsgefährdung der Kinder durch die Funkwellen, auch im angrenzenden Kindergarten. Außerdem beklagen sie eine mangelhafte Informationspolitik der Gemeinde und werfen der Telekom vor, Alternativstandorte nicht ernsthaft geprüft zu haben.
Etwa ein Dutzend Standort-Gegner hat sich in dieser Woche zu einem Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“getroffen. Sie sind sich bewusst, dass die Gemeinde schon lange für einen besseren Mobilfunkempfang kämpft. „Deshalb soll der Mobilfunkmast auch kommen – aber nicht an diesem Standort. Wir fordern eine Prüfung von Alternativstandorten, die definitiv nicht stattgefunden hat“, erklärt Josef Thanner stellvertretend für die anderen Standort-Gegner, zu denen Anwohner des benachbarten Wohngebiets, aber auch Eltern von Hörenhauser Schul- und Kindergartenkindern gehören.
Enttäuschendes Gespräch
Zwar habe sich die Telekom zu einem Gespräch bereit erklärt, zu dem vor rund zwei Wochen dann auch der regionale Netzbeauftragte der Telekom, ein Vertreter der Deutschen Funkturm GmbH, Bürgermeister Karremann, Gemeinde- und Ortschaftsräte sowie Standort-Gegner zusammengekommen seien. Der Gesprächsverlauf aber sei ernüchternd gewesen. Auf den Hinweis auf eine Selbstverpflichtung der Telekom, wegen der Bedenken in der Bevölkerung vorrangig andere Standorte als Schulen und Kindergärten zu prüfen und, wenn doch kein anderer infrage kommt, mit umfassenden Informationen die Akzeptanz für einen solchen Standort zu erhöhen, habe der Telekom-Vertreter geantwortet: „Das ist von 2005. Das hat sich alles geändert.“Und auf die Frage, welche Alternativstandorte denn geprüft wurden, habe er entgegnet: „Wir sind Ihnen keine Rechenschaft schuldig.“Steffen Schneider von den Standort-Gegnern glaubt zu wissen, warum die Telekom kein Interesse an Standorten etwa am Waldrand außerhalb der Ortschaften hat: „Da fehlt die Infrastruktur, man müsste Stromleitungen legen, und das ist zu teuer.“Auch habe man in dem Gespräch keine Antworten auf technische Fragen zum Funkmast und die Stärke der elektromagnetischen Strahlen erhalten. „Man hat uns auf die Internetseite der Bundesnetzagentur verwiesen“, sagt Daniel Guter. Dort seien aber lediglich Angaben zur Höhe des Turms (19 Meter) zu finden.
Was das Gefährdungspotenzial betrifft, verlassen sich Bürgermeister Günther Karremann und Ortsvorsteher Wolfgang Thanner auf die Angaben der Telekom und der Bundesnetzagentur. „Wenn eine Antenne TÜV hat, dann ist sie aus meiner Sicht genehmigungsfähig – auch an diesem Standort“, erklärt Karremann. Und Thanner drückt sein Vertrauen in die Prüfbehörden so aus: „Ich gehe davon aus: Wenn ich einen Wasserhahn öffne, kommt etwas Gutes raus, weil es geprüft ist.“Dass der Standort auf dem Schuldach für Unmut in der Bevölkerung sorgen könnte, war für den Bürgermeister kein Thema. „In einer Stadt wie Ulm steht an jeder Ecke so eine Antenne, und da beschwert sich niemand“, meint Karremann.
„Standort schon lange bekannt“
Auch aus Sießen habe es bis dato keine offiziellen Beschwerden über den laut Ortsvorsteher Wolfgang Thanner „schon lange bekannten Standort“gegeben – weder während des in öffentlicher Gemeinderatssitzung behandelten Baugenehmigungsverfahrens noch in den Monaten danach. Das habe einen ganz einfachen Grund, entgegnen Josef Thanner und seine Mitstreiter: Das Thema sei lange Zeit nur in nicht öffentlichen Gemeinderatsund Ortschaftsratssitzungen besprochen worden, und als das Baugesuch Anfang November 2017 in die öffentliche Tagesordnung des Gemeinderats aufgenommen worden sei, habe man dies mit gerade mal drei Zeilen im Mitteilungsblatt angekündigt.
Eine Sichtweise, die Wolfgang Thanner und Günther Karremann nicht stehen lassen wollen. „Ich bin mir sicher: Im ganzen Ort haben alle schon lange gewusst, wo der Mobilfunkmast hinkommen soll. Und ich habe nie etwas Ablehnendes gehört“, meint der Ortsvorsteher. Auch Karremann kann sich nicht vorstellen, dass die Ankündigung des Baugenehmigungsverfahrens von allen Standort-Gegnern überlesen worden ist. „Es war genug Zeit, sich die im Rathaus ausgelegten Unterlagen anzuschauen. Aber es kam kein einziger Einwand.“Und das, obwohl die unmittelbaren Anlieger – darunter die Kirchengemeinde – schriftlich über das Baugesuch informiert worden seien. „Wissenstransfer ist nicht nur eine Bringschuld, sondern auch mal eine Holschuld“, sagt Günther Karremann. Er und Wolfgang Thanner beteuern, dass sie den Bau des Mobilfunkmasts nicht in ihrem persönlichen, sondern im vielfach geäußerten Interesse der Bürger – insbesondere jener aus Weihungszell – befürworten. Günther Karremann ergänzt: „Wenn ich durch Druck erreiche, dass jemand etwas baut, dann habe ich doch keine Chance, den einzigen Standort abzulehnen, den der Bauherr für sinnvoll erachtet.“
Die Standort-Gegner wollen jedoch nichts unversucht lassen. So haben sie die Kommunalaufsicht beauftragt, zu überprüfen, ob die Gemeinde in der Angelegenheit korrekt vorgegangen ist. Auch ging ein Beschwerdebrief an die Telekom raus. Und ein weiterer Strohhalm sind die Denkmalbehörden, die überprüfen sollen, ob sich ein wuchtiger Mobilfunkmast auf dem Schuldach mit der benachbarten Wallfahrtskirche optisch verträgt.